Der Nautilus-Plan
Erinnerungsfotos des Barons heraus.
»Ich mache mich schon mal an die Arbeit.« Sie ging mit den Fotos ans Fenster, wo das Licht am besten war, und setzte sich auf den Boden.
FÜNFUNDDREISSIG
Als Simon auf das bunte Treiben von Pigalle hinabspähte, sah er unter seinem Fenster vier Männer stehen, die über ihre Jacketts strichen, als wollten sie sich vergewissern, dass sie ihre Pistolen noch dabei hatten. Zwei weitere Männer kamen aus dem Parkhaus. Jeder trug ein automatisches Gewehr, das er an seine Seite gedrückt hielt, damit es nicht so leicht zu sehen war. Dann erschien in der Einfahrt ein großer Citroën, ähnlich dem, der ihn auf dem Rückweg vom Château überholt hatte, Simon schilderte seine Beobachtungen Liz, die im Lotussitz auf dem Boden saß und die drei großen Abzüge studierte. So, wie sie in tiefer Konzentration den Kopf gesenkt hielt, sah sie aus wie ein College-Girl.
»Irgendwas Interessantes entdeckt?«, fragte er.
»Wirklich erstaunlich, wen der Baron alles gekannt hat. So ziemlich jeden von Maria Callas und Aristoteles Onassis bis zu George und Laura Bush. Partys, Jachtausflüge, offizielle Anlässe, politische Veranstaltungen, Krönungen. Diese Fotos decken einen Zeitraum von fast fünfzig Jahren ab, und er ist auf jedem davon zu sehen. Angesichts der Prominenz der mit ihm Abgelichteten hat er vermutlich eine ziemlich strenge Auswahl getroffen. Vermutlich hätte er noch zehnmal so viele Fotos aufhängen können.« Ihre Miene war ernst, als sie zu Simon aufblickte. »Und wenn Helios und Kronos von einem ähnlichen Kaliber sind …«
»Genau. Die beiden und der Erpresser sind vielleicht auch auf den Fotos. Nur, wer sind sie?«
»Gute Frage.« Leise vor sich hin murmelnd, wandte sich Liz wieder den Fotos zu.
Währenddessen meldete Simon: »Malko stößt gerade zu den anderen. Er erteilt ihnen Anweisungen. Schade, dass ich nicht Lippenlesen kann. Wusste ich doch, dass mir dieser Citroën irgendwie bekannt vorkam.«
Liz war in Gedanken ganz woanders. »Sowohl dein Vater als auch Grey Mellencamp waren bekannte Politiker. Wenn stimmt, dass dein Vater erpresst wurde, damit er in einer bestimmten Sache gegen seine Überzeugung stimmte, und wenn Grey Mellencamp, der damals Außenminister war, aus einem ähnlichen Grund erpresst wurde, geht es dem Mann mit den Aufzeichnungen nicht in erster Linie um Geld. Das zeigt sich zum Beispiel an der Tatsache, dass er Terrill Leaming erpresste, damit er für den Baron den Kopf hinhielt.«
»Es geht ihm um etwas anderes. Was ist das wohl für ein ›Deal‹, über den er mit dem Baron gesprochen hat?«
Liz schaute auf und betrachtete Simons Profil, das markante Kinn und den energischen Mund. Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihre Aufgabe. »Du hast mal gefragt, ob es noch andere Gründe als den Rummel um meine Sendung geben könnte, weshalb diese Angelegenheit dermaßen eskaliert ist. Vielleicht hast du damit gar nicht so Unrecht. Was ist, wenn der Erpresser nur auf Personen Druck ausübt, deren Unterstützung er benötigt, um eins seiner Geschäfte zum Abschluss bringen zu können?«
»Wie zum Beispiel im Fall des Barons? Wobei hier der Schuss allerdings nach hinten losging, wie übrigens auch bei Grey Mellencamp und meinem Vater. Drei Tote. Was wir allerdings nicht wissen, ist, wie oft er mit seiner Methode Erfolg hatte.«
»Richtig. Wenn er tatsächlich einer der Titanen ist, wird er sicher nicht so schnell aufgeben. Er wird weiter versuchen, die Sache zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.«
»Das finde ich auch. Trotzdem sollten wir uns hier nicht zu sehr zu Spekulationen hinreißen lassen. Unser Hauptproblem ist im Moment: Wie kommen wir hier raus. So, wie du aussiehst, könntest du dich im Dreck gewälzt haben.« Als er merkte, dass diese Bemerkung nicht sehr gut bei ihr ankam, fügte er rasch hinzu: »Und ich sehe vermutlich aus, als hätte ich eine dreiwöchige Sauftour hinter mir. Eines steht fest: Im Moment dürfen wir auf keinen Fall Aufmerksamkeit erregen. Deshalb würde ich vorschlagen, wir säubern uns erst mal, so gut es geht. Dann essen wir was und verschwinden.« Er ging ins Bad und schloss die Tür hinter sich.
»Und wie sollen wir hier rauskommen?«, fragte Liz. Aber er antwortete ihr nicht.
Als aus dem Bad das Geräusch von laufendem Wasser kam, ging Liz ans Fenster. Ein Lieferwagen mit dem Logo eines Blumenladens fuhr rückwärts in die Garageneinfahrt und versperrte sie. Gleich darauf sprangen acht Männer aus
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