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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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war jemand, der es geschafft hatte, sich in einem Land, in dem alter Groll und schwelende Leidenschaften wegen nichts entflammten, eine gewisse Neutralität zu bewahren.
    »Sie haben ihn in letzter Zeit nicht gesehen?«, wollte sie wissen.
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es ist so, wie ich Ihnen gesagt habe. Er ist gestorben. Tot. Nicht mehr am Leben … auch für Sie. Fahren Sie wieder nach Hause. Sie werden ihn hier nicht finden. Warum wollen Sie unbedingt nach etwas suchen, was nicht mehr existiert? Wenn er wirklich noch am Leben ist, will er nicht gefunden werden. Wenn er tot ist, lassen Sie ihn in Frieden ruhen. Kehren Sie nach Kalifornien zurück. Finden Sie Ihr eigenes Leben. Lassen Sie die Erinnerungen an ihn hier, wo sie hingehören. Respektieren Sie ihn dadurch, dass Sie Ihren Weg ohne ihn machen.«
    Sie schaute weg. Das markante faltige Gesicht einer alten Sizilianerin auf einem der Fotos hatte ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Bei seinem Anblick spürte sie seltsame Erleichterung, fast so etwas wie Trost.
    Dann sah sie wieder den Wirt an. Ihr Blick bohrte sich in ihn. »Sie haben ihn also nicht gesehen?«
    »Nein!« Er warf die Hände hoch. Dann fuhr er ruhig fort: »Gleich werden die ersten Gäste kommen. Setzen Sie sich. Trinken Sie Ihren Wein. Ich habe zu tun.« Er holte mehrere Rotweinflaschen unter der Bar hervor und stellte sie an der Rückwand auf.
    Liz kehrte an die Bar zurück und stellte das Glas auf den Tresen. »Quanto costa questo?«
    Er nannte ihr den Betrag. Sie legte das Geld neben das Glas und ging in die langen Schatten der Dämmerung hinaus.
    Endlich ließ der Wind nach. Beim Überqueren des Hofes nahm sie den Strohhut ab und fuhr sich mit dem Unterarm über die Stirn. Sie war jedoch sofort wieder feucht. Die Regenzeit hatte noch nicht begonnen. Den ganzen Tag war der heiße Schirokko aus Nordafrika über die ausgedörrten Hügel und Täler hinweggefegt und hatte Land und Leuten die letzten Feuchtigkeitsmoleküle ausgesaugt. Erstaunlicherweise waren die Menschen hier selten gereizt. Nach dreitausend Jahren ständiger Eroberungen nahmen die Sizilianer das Walten Gottes und der Natur mit Gleichmut hin.
    Drei Männer mittleren Alters kamen lachend in den Hof und setzten sich an einen der Tische im Freien. Signore Cappuccio kam nach draußen und fragte die Männer, was sie zu trinken wünschten.
    Liz setzte ihre Wanderung fort und kam nach einer Weile an einem grauhaarigen Ziegenhirten mit seinem Hund und einer Herde krätziger Ziegen vorbei. Bei Einbruch der Dunkelheit schlug der Wind um. Er kam jetzt von Norden. Sie reckte ihm das Gesicht entgegen und fand Linderung in seiner Kühle. Von Osten drang deutlich hörbar das Geräusch eines einsamen Automotors durch die stillen Berge. Sie sah auf die Uhr. Ja, er war pünktlich.
    Aufgeregt erkletterte sie den nächsten Hügel und blieb auf seiner Kuppe stehen, um zu warten. Der Sonnenuntergang tauchte den westlichen Horizont in die leuchtenden Farben der Orangen und Zitronen, für die diese Region einmal bekannt gewesen war. Inzwischen war die Hälfte der Bewohner, die hier vor zehn Jahren noch gelebt hatten, auf der Suche nach Arbeit in die Städte Europas gezogen. Immer wieder hatten ihr Leute aus der Gegend erzählt, wie verlassen diese Berge waren – nur die Alten, die Faulen und die Säufer blieben. Sogar hier hatte die Globalisierung zugeschlagen. Sie raubte die Jungen und überließ die Alten sich selbst. Die Globalisierung war so unausweichlich wie der Wechsel der Jahreszeiten. Die einzige Frage war, ob die Entscheidungsträger sie mit dem geringsten Schaden für all jene vorantreiben würden, die keine Stimme hatten, oder mit dem größten Profit für sich selbst.
    Als Liz über die im Dunkel versinkenden Hügel und Täler blickte, kehrten ihre Erinnerungen wieder zu ihrem Vater zurück. Sie konnte ihn noch ganz deutlich vor sich sehen, wie er in Dreftbury das Hotelzimmer verlassen hatte. Sie hätte seinen Namen rufen, ihn bloßstellen, über seinen Kopf hinweg eine Kugel abfeuern können. Aber sie hatte es nicht getan, weil er derjenige gewesen war, der wegging. Danach hatte sie fast einen Monat lang gewartet, die ganze Zeit mit einem dumpfen Schmerz in der Brust. Und schließlich hatte sie sich voll verzweifelter und zugleich hoffnungsvoller Sehnsucht auf die Suche nach ihm gemacht, nach dem Mann, an dem sie so sehr hing.
    Hinter ihr hielt ein Pick-up am Straßenrand. Sie drehte sich um und rannte auf ihn zu. »Komm,

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