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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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weit, dass es sie nicht mehr berührt. Beide Störungen zeichnen sich durch einen grundlegenden Mangel an Mitgefühl aus. Am häufigsten kann man das bei Personen beobachten, die chronisch lügen oder die Rechte und Gefühle anderer missachten.«
    Mac runzelte die Stirn. »Wenn ich Sie richtig verstehe, besteht also zwischen einem Soziopathen und einem Psychopathen kein Unterschied.«
    »Ich bin noch nicht fertig. Ein Psychopath hat außerdem psychotische Züge – normalerweise Paranoia oder verdrehte, widersinnige Vorstellungen, wie zum Beispiel der irrige Glaube, dass sein Opfer die Schmerzen, die er ihm zufügt, genießt oder verdient hat.«
    Er spitzte nachdenklich die Lippen: »Das heißt also: Wenn jemand einen Auftragsmord ausführt und sich nichts dabei denkt, ist er ein Soziopath. Wenn es dagegen jemand tut, weil er zum Beispiel denkt, jemand hätte es auf ihn abgesehen, ist er ein Psychopath.«
    »So ist es. Adolf Hitler war vermutlich ein Psychopath, während ein Geschäftsmann, der aus purem Profitdenken andere Menschen ruiniert, soziopathische Züge trägt.«
    »Damit haben Sie gerade den Kapitalismus verurteilt.«
    »Habe ich das? Na ja, wenigstens lächeln Sie noch. Ich kann mich erinnern, dass einer meiner Professoren behauptete, wenn jeder psychisch ausgeglichen wäre, gäbe es nie mehr Krieg, und wir hätten ausreichend Nahrung, Kleidung, Behausung und Freizeit. Außerdem wären wir produktiv und kreativ. Schön, sich so eine Welt auszumalen.«
    »Ich hab immer gehört, das würde eintreten, wenn die Frauen auf der Welt das Sagen hätten.«
    »Vielleicht kommt es ja eines Tages noch so weit. Im Moment interessiert es mich allerdings nicht, wer das Sagen hat. Mich interessieren nur Ergebnisse. Aber noch mal zurück zu unseren Psychopathen und Soziopathen. Das hilft Ihnen vielleicht, besser zu verstehen, warum Papa anders war. Diese Leute segmentieren ihr Leben. Ein treffendes Beispiel dafür ist der Film Reine Nervensache. Erinnern Sie sich noch? Robert De Niro spielt darin einen Mafiaboss.«
    Er nickte.
    »Es gibt da eine Szene, in der er von einer Prostituierten einen geblasen bekommt. Während sie zugange ist, erzählt er ihr, er würde seine Frau lieben, könne sich aber von ihr keinen blasen lassen, weil sie es mit denselben Lippen täte, mit denen sie ihre Kinder küssen würde.
    De Niro bringt das auf seine unnachahmliche Weise, und es ist zum Brüllen komisch. Aber es ist auch sehr vielsagend: Die Figur, die er spielt, hat keine Ahnung, wie seine Frau es findet, dass er zu einer Prostituierten geht, oder was sie über Fellatio oder sonst etwas denkt. Er ist ein Soziopath. Wer sie ist – abgesehen davon, dass sie seine Frau ist –, interessiert ihn nicht die Spur. Für ihn besteht ihre einzige Funktion darin, die Rolle zu spielen, die er ihr zugedacht hat.«
    »Stimmt, das ist ein typisches Mafioso-Ding. Alle wollen sie heiraten. Es verschafft ihnen innerhalb der Familie einen höheren Status. Bei der Mafia dreht sich alles um Status.«
    »Genau. Rollen. Anders ausgedrückt, mehr Rollen, die gespielt werden müssen, ohne dass sie etwas mit den Menschen selbst zu tun haben. Aus diesem Grund kann sich De Niros Figur benehmen wie ein liebevoller Ehemann, ohne liebevoll zu sein und ohne überhaupt zu wissen, wer seine Frau ist. Weichherzig zu erscheinen ist für ihn wahrscheinlich reiner Selbstzweck und hat nichts mit Einfühlungsvermögen zu tun. Soziopathen tun zwar so, als läge ihnen etwas an anderen Menschen, aber was geht tatsächlich in ihnen vor? Wer kann das schon sagen?«
    »Und Ihr Vater war nicht so?«
    »Da bin ich nicht sicher.« Sie hielt verlegen inne. »Ich hatte immer das Gefühl, dass er uns liebte. Obwohl er ein Mörder war, hatte ich dennoch das Gefühl, dass er uns liebte. Als Mom und ich aussteigen wollten, sagte er, er würde es auch tun. Es wäre das einzig Richtige. Damals fragte ich mich natürlich, ob er es nur tun wollte, um uns eine Freude zu machen.« Sie schüttelte den Kopf. »Seinen ersten Mord beging er mit kaum zwanzig Jahren in Las Vegas. Es war eine reine Affekthandlung, und er wurde nie mit der Tat in Verbindung gebracht. Nur die Mafia bekam Wind von der Sache. Sie erkannten seine ›natürliche Begabung‹. Wenn einen die Mafia zum Killer ausbildet, sind die ersten Leute, die man umlegen muss, in der Regel irgendwelche anderen Mafiosi oder Leute, die näher mit ihnen zu tun haben. Für ihn sah es also so aus, dass er schlechte Menschen umbrachte.«
    »War

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