Der Nautilus-Plan
vertrat er im Verwaltungsrat der Stiftung ihre Interessen und hatte zum Beispiel auf ihr Betreiben hin die Fernsehserie abgesetzt. Vielleicht war auch er diesem Helios, wer immer das war, unterstellt.
Diese neu gewonnenen Einsichten waren nicht dazu angetan, ihre Bedenken bezüglich der CIA auszuräumen. Wenn überhaupt etwas, konnte sie sich noch weniger erklären, welchen Grund Mac haben sollte, sie zu belügen. Sie versuchte, Ruhe zu bewahren. Was genau hatte Langley vor? Hatte Sarahs Leben wirklich oberste Priorität … oder verfolgte Langley irgendwelche Eigeninteressen, von denen sie nichts wusste?
ELF
Zürich
Die legendäre Bahnhofstraße war nicht nur eine von Europas exklusivsten Einkaufsstraßen, sondern auch der Sitz einer der bekanntesten und lukrativsten Einkommensquellen des Landes – des internationalen Bankwesens. Trotzdem ahnten die wenigsten Einkaufsbummler und Touristen, die sich in den teuren Boutiquen und Geschäften 5000-Dollar-Uhren und 500-Dollar-Socken ansahen, dass sie buchstäblich auf einer Straße aus Gold gingen.
Für die Schweizer war die Wahrung des Bankgeheimnisses nur ein Beispiel für die Diskretion, die man bei der Abwicklung seiner Geldgeschäfte erwarten konnte. Nur selten war davon die Rede, dass sich unter der Bahnhofstraße zum Teil fünf Stockwerke hohe Gewölbe befanden, voll gepackt mit Goldbarren und dem Reichtum ganzer Nationen. Es war der größte Goldmarkt der Welt. Die Banken, die direkt an der Bahnhofstraße lagen oder sich in schmalen Seitenstraßen versteckten, waren so mächtig, dass sie nicht nur die Finanzpolitik der Schweiz maßgeblich mitbestimmten, sondern ihren Einfluss auch in sämtlichen Machtzentren der Welt geltend machten.
Terrill Leaming war ein leitender Angestellter der Darmond Bank AG, die sich in einem prächtigen Stadthaus unweit des Paradeplatzes befand. Keine Fenster öffneten sich auf die Straße. Nur die Adresse – nicht der Name der Bank – war auf einer Messingplakette neben der Ebenholztür zu lesen. Auf den marmornen Eingangsstufen stand ein Wachmann in einem dunklen Anzug, eine Melone auf dem Kopf, eine dezente Wölbung unter seiner Achselhöhle. Laufkundschaft war bei der Darmond Bank nicht gern gesehen.
Simon nannte dem Wachmann seinen Namen, worauf dieser über ein Walkie-Talkie seine Ankunft meldete. Der Wachmann lächelte kein einziges Mal. Auch Simon war nicht gerade bester Laune, als sie gemeinsam vor dem Eingang warteten. Er hatte versucht, das Grauen von Vieras Tod von sich fern zu halten, aber als sich das Warten hinzog, drohte es sich wieder in sein Bewusstsein zu schleichen.
Nachdem er sich im St.-Martins-Dom mit dem Unbekannten getroffen hatte, war er in seine Wohnung zurückgekehrt, um zu duschen, frische Sachen anzuziehen und seinen Bericht für den MI6 zu tippen. Er deponierte ihn in einer zerdrückten Cola-Dose unter einem Ahorn in der Nähe der alten Brücke. Gleichzeitig hob er unauffällig eine zerknüllte McDonald’s-Tüte mit slowakischer Aufschrift auf. Sobald er sich von dem toten Briefkasten entfernt hatte, nahm er ein mehrmals gefaltetes Blatt Papier aus der Tüte und warf die Tüte in einen Abfallkorb.
Er suchte ein kleines Café im Schatten des St.-Michaels-Tors auf und bestellte ein frisches Brötchen und starken schwarzen Kaffee, bevor er das Blatt Papier entfaltete, das ein weiteres Stück Papier enthielt. Auf dem ersten Zettel befand sich eine verschlüsselte Nachricht von Ada Jackson, in der sie ihn aufforderte, eine konspirative Wohnung in Florenz aufzusuchen, und ihm mitteilte: Viera Jozef hinterließ eine Erklärung an die Weltöffentlichkeit. Kopie beiliegend. Verlassen Sie Florenz auf keinen Fall, ohne anders lautende Anweisungen erhalten zu haben.
Beklommen nahm er einen kräftigen Schluck schwarzen Kaffee und entfaltete den Zettel mit Vieras letzten Worten. Er las langsam. Es war ein Plädoyer an die Reichen dieser Welt, genauso viel zu geben wie sie sich nahmen, Menschlichkeit zu zeigen und sich nicht von reinem Profitdenken leiten zu lassen. Alles sehr biblisch im Ton, obwohl Viera Atheistin gewesen war. Außerdem bat sie in der Botschaft ihren Bruder und ihre Kameraden um Verständnis und Vergebung für ihre Tat und forderte sie auf, weiterzukämpfen. Ihn selbst erwähnte sie mit keinem Wort. Seltsam, dass er überrascht war; seltsamer, dass er gekränkt war. Was hatte er erwartet?
Einen Augenblick lang stand der Anblick ihres Feuertodes vor seinen Augen. Heftig blinzelnd gegen
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