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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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Schmulevitch hielt mich zurück.
    Die Stimme im Radio redete zu Mira. Und Mira weinte. Weinte mit offenem Mund. Und spuckte ihre Klöße aus. Und die Stimme im Radio redete. Und ließ sich nicht durch Mira beirren.
    Wir zuckten plötzlich alle zusammen ... denn Mira hatte einen Schrei ausgestoßen ... und dann ... auf einmal ... begann Mira, die Stumme, zu reden!
21.
    In der ersten Unabhängigkeitsnacht hatte ich nicht ge schlafen. Schuld daran war Mira, meine Frau, die unauf hörlich redete, als müßte sie Versäumtes nachholen. Ich lag wach, hielt die müden Froschaugen offen und beobachtete, wie Miras Klöße in die Nacht hinaussegelten.
    Im Morgengrauen erhielt ich meinen Gestellungsbefehl.
    Krieg! Auf den Straßen dröhnten die Lautsprecher: fünf arabische Armeen über unsere neuen Grenzen marschiert! Was habe ich Ihnen prophezeit? Eines Tages würde der große Krieg der Zukunft beginnen!
    Der Kleinkrieg mit den Arabern hatte längst begonnen. Ich hatte ihn durch meine Beinbruchgeschichte verpaßt. Aber der war für mich nicht so wichtig ... eine Art Bür gerkrieg bloß, zwischen Juden, die für, und Arabern, die gegen den Teilungsplan waren, und der sich in den letz ten Monaten der Mandatszeit unter den Augen der verärgerten Engländer abgespielt hatte. Die großen arabischen Armeen jenseits der Mandatsgrenzen hatten sich nicht direkt eingemischt, konnten das auch gar nicht, solange die Engländer noch hier waren. Die großen ara bischen Armeen standen bloß bereit, um eines Tages hier einzumarschieren ... am Stichtag! ... um unseren neuen Staat zu zerschlagen, die Juden ins Meer zu werfen ... mich auch: den Friseur Itzig Finkelstein.
    Der große, offizielle Krieg der Zukunft, mit dem ich gerechnet und auf den ich gewartet hatte, war ein Krieg für die Zukunft, und begann logischerweise in der Mor gendämmerung der Neuen Zukunft.
    Die großen arabischen Armeen fielen mit schweren Panzern über uns her, und ihre Flugzeuge flogen schneller als der ›Hamsin‹ ... Hamsin, der heimtücki sche Wüstenwind, den selbst die alten Propheten gefürchtet hatten.
    Da hab ich zu mir gesagt: »Itzig Finkelstein! Die Juden sollten sich bekreuzigen!«
    Unsere Panzerkolonnen bestanden während der ersten Kriegswochen zum größten Teil aus alten Autobussen, ein bißchen verkleidet natürlich ... mit Stahlplatten, gefährlichen Gucklöchern und hastig aufmontierten Maschinengewehren; wir hatten auch Lastautos, Privatautos, Taxis ... alle ähnlich verkleidet ... und selbstverständlich an der Spitze unserer Panzerkolonnen die schnellbeweglichen Milch- und Honigwagen der Firma Nudelmann & Co. Milch und Honig hatten uns einst hierhergelockt. Und wenn Symbole an die Front fahren, dann ist das bitterer Ernst.
    Mit unseren Flugzeugen stand es in den ersten Kriegswochen nicht besser. Die Haganah hatte sie irgendwo gekauft, ich glaube, aus den Flugzeugmotten kisten antisemitischer Raritätensammler, die hofften, daß wir uns den Hals brechen würden. Fliegen konnten die, aber nicht höher als die Wolken über Beth David während der Regenzeit ... und auch nicht schneller. Bomben hatten wir auch: Holzkisten mit Dynamit gefüllt. Die waren schwerer als die Luft, und fielen -nach dem Gesetz der Gravität - immer nach unten, genau das, was wir beabsichtigten.
    Kanonen hatten wir auch. Sogar ein paar neue Modelle, aber die meisten waren veraltet und riefen Erinnerungen in mir wach, Gedanken an Geschichtsbücher, die ich als Junge gelesen hatte: Die Schlacht bei Waterloo ! Napoleons berühmte Kanonen!
    Ja, so war das. So und so und nicht anders. Wir hatten natürlich Revolver und Gewehre und andere Waffen, auch Panzerfäuste und Mörser, Maschinenpistolen und tragbare Maschinengewehre, leichte und schwere. Aber nicht genug. Das war es: wir hatten nicht genug!
    Wo keine Panzerfaust da war, da war bloß die Faust. Und der Heldengeist der Makkabäer! Unsere Jungs sprangen auf die feindlichen Panzer mit Handgranaten und Molotowcocktails. Einheiten der Haganah, die nicht über richtige Mörser verfügten, griffen den Feind mit der ›Davidka‹ an, dem ›kleinen Davids einem selbst fabrizierten, dynamitgeladenen Haganahmörser, der einen Höllenlärm machte und - so hieß es - die Wände der Omarmoschee erzittern ließ, auch das Heiligtum im Inneren, den Felsblock Sakhra und die aufbewahrten Barthaare des Propheten.
    Wir kämpften gegen einen Feind, der uns an Waffen und Ausrüstung weit überlegen war. Aber wir hielten unsere Stellungen. Wir

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