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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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kämpften tapfer. Denn wir wuß ten, wofür wir kämpften!
    Dann liefen Schiffe in unsere neuen Häfen ein. Moderne Waffen trafen ein. Wurden in aller Eile verteilt. Die ersten größeren jüdischen Panzerverbände - diesmal richtige - rollten zur Front. Neue Kanonen tauchten in unseren Einheiten auf, neue Mörser und andere Waffen. Und hoch oben am Himmel erschienen neue Flugzeuge, Flugzeuge mit dem Davidstern, die höher als die Wolken flo gen und auch schneller, sogar schneller als der ›Hamsin‹.
    Sie werden natürlich wissen wollen, ob ich, Itzig Finkelstein oder der Massenmörder Max Schulz - ein herz kranker Mann -, überhaupt kriegsdiensttauglich war?
    Ich habe etwas verschwiegen. Bin nämlich längst untersucht worden ... von den Haganahärzten. Haben mich ausgelacht, die Haganahärzte, als ich ihnen von meiner vergangenen Herzgeschichte erzählte. Sagten nur: »Alles bloß Einbildung! Du bist gesund wie ein Ochse, Itzig Finkelstein!« - Ich hab natürlich versucht, meinen Fall zu erklären, nicht etwa, weil ich mich drücken wollte ... im Gegenteil ... ich wollte ja kämpfen ... nur um ihnen, den Haganahärzten, klaren Wein einzuschenken, um ihnen verständlich zu machen, daß ich, Itzig Finkelstein, ein herzkranker Mann, trotz meines Leidens, jederzeit bereit bin, zu kämpfen. Habe zu ihnen gesagt: »Aber damals ... meine Herren ... wurde ich doch ... wegen meines Herzinfarkts ... ins Hinterland versetzt ... ich meine ... noch weiter nach hinten ... und zwar ... von unserem Stabsarzt!«
    Die guckten bloß dumm, verstanden nicht, was ich andeuten wollte, wußten nicht, von welchem Hinterland ich sprach, und von welchem Stabsarzt, sagten bloß: »Dein Stabsarzt wollte dir einen Gefallen tun, Itzig Finkelstein. Hat dich eben krankgeschrieben.« Ich sagte: »Und meine Schwächeanfälle! Und meine Ohn machtsanfälle! Damals!«
    »Das hat andere Ursachen gehabt!«
    »Und der Herzinfarkt in Veronjas Kate?«
    »Das war kein Herzinfarkt«, sagten die Haganahärzte, obwohl sie gar nicht wußten, wovon ich sprach.
    »Könnte das mit meinem Dachschaden zusammenhängen?«
    Und die lachten und sagten: »Möglich ist das schon.«
    In den ersten Kriegswochen des großen Zukunftskrieges kämpfte ich, Itzig Finkelstein oder der Massenmörder Max Schulz, im ›Jerusalemer Korridor‹. Die StadtJerusalem war belagert. Wir mußten sie freikämpfen.
    Dann, nachdem ich, Itzig Finkelstein oder der Massenmörder Max Schulz, Jerusalem freigekämpft hatte, wurde ich an die ägyptische Front versetzt, eroberte ein Dorf nach dem anderen, eine Stadt nach der anderen, und marschierte schließlich, an einem sonnenklaren Herbsttag, in Beersheba ein.
    Wir hatten die Ägypter in den ersten Monaten der Regenzeit aus dem Negev vertrieben und standen mit unseren siegreichen Truppen vor der Halbinsel Sinai. Wir durften aber nicht weiter, hatten strikten Befehl erhalten, stehenzubleiben, obwohl unsere Jungs gern bis Kairo marschiert wären, oder noch weiter.
    Während der Sommermonate des Jahres 1948 hatte sich unsere Armee verwandelt. Aus der Haganah, dem zusammengewürfelten Haufen kämpfender Zivilisten, war inzwischen die vollausgerüstete, volluniformierte Israelarmee entstanden, genannt ›Zahal‹. Ich selbst, Itzig Finkelstein oder der Massenmörder Max Schulz, war ein frischgebackener Sergeant und verdammt stolz auf meinen Rang.
    So war das. Aber Sie wissen ja, wie das ist: je besser es einem geht, desto anspruchsvoller wird man. Das war auch so mit unserer Armee. Die Herren Offiziere ... fingen an, kritisch auf meine Füße zu gucken. Irgendwas gefiel ihnen nicht, obwohl ich, Itzig Finkelstein oder der Massenmörder Max Schulz, schließlich und endlich ein Sergeant war, und zwar ein richtiger.
    Ende Dezember 1948 wurde ich wegen meiner Plattfüße zum Nachschub versetzt. War nichts zu machen.
    Und da war dieser Vorfall:
    Erhielt den Befehl, frischen Proviant an die schwei gende Front zu bringen. Viel war ja nicht mehr übrigge blieben. Von der Front, mein' ich. Die war stumm- und lahmgeschossen, hing wie ein unbeweglicher Vorhang, hell bei Tag, finster bei Nacht, zwischen unseren siegreichen Truppen und der geschlagenen ägyptischen Armee.
    Ich fuhr mit meinen Leuten los ... um den Proviant zu holen. Saß in meinem Jeep, neben dem Fahrer, hatte meine Maschinenpistole übers Knie gelegt, Patronengurt umgeschnallt, Handgranaten an der linken Hüfte, sah im Spiegel meine Lastautos hinter mir ... und meine Jungs. Mein Fahrer fuhr

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