Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
Vom Netzwerk:
nicht...«
    »Ich hab's ja gewußt.«
    »Was ... gewußt?«
    »Daß du Angst kriegst, Max."
    »Woher weiß du das, Wolfgang?«
    »Ich sehe den Angstschweiß auf deiner Stirn. Und deinen offenen Mund.«
    »Das kann nicht sein, Wolf gang. Wie kann mein Kör per schwitzen ... vor Angst ... wenn meine Angst an der Zimmerdecke hockt?«
    »Das bildest du dir nur ein, Max.«
    »Ja. Ich habe Angst.«
    »Ja.«
    »Wie seh' ich aus, Wolfgang?«
    »So und so, Max. Schade, daß du dich nicht sehen kannst. Deine Froschaugen sind weit aufgerissen. Und auch dein Mund.«
    »Ist das so?«
    »Ja. Das ist so. Zuallerletzt, da stirbt ein Kerl wie du ... mit ›ihrer‹ Angst.«
    »Wessen Angst?«
    »Mit der Angst deiner Opfer, bevor sie starben.«
    »Soll das die gerechte Strafe sein?«
    »Nein.«
    Und plötzlich sehe ich wieder. Ich sehe weiße Gardinen. Und ich sehe das offene Fenster. Und ich kann auch den Wind sehen. Den kann ich sehen!
    Und es kommt mir vor, als käme der Wind aus dem Wald der 6 Millionen. Der Wind! Und der Wind packt die weißen Gardinen vor meinem Fenster. Und schüttelt sie.
    Und allmählich werden sie dunkler. Die Gardinen am Fenster. Werden dunkler und dunkler, haken sich los, werden zu Flügeln, schwarzen Flügeln, fangen zu flattern an, lassen sich tragen vom Wind, vom Wind, der aus dem Walde kam, dem Wald der 6 Millionen. Und die Flügel packen mich, krallen sich fest an meinen aus gestreckten Armen. Und der Wind erhebt sich, trägt meine Flügel, und auch mich. Irgendwohin. Dorthin!

Nachwort
 April 1975.
    Edgar Hilsenrath hat Koffer und Kartons gepackt. Sein Entschluss steht fest: Er will New York endgültig verlassen und zurück nach Deutschland, in das Land seiner Muttersprache. »Ich bin viel zu lange in Amerika geblieben«, resümiert er, »ich begann meine Verwurzelung in der deutschen Sprache zu verlieren.« Er plant noch einen Abstecher nach London, wo soeben sein Roman »The Nazi & The Barber« im Verlag W. H. Allen erschienen ist. Er will für seinen Roman werben, für die Medien in London präsent sein. Sein Gepäck, vierhundert Kilo schwer, schickt er als Fracht voraus nach München. Dort hat er seit seinem einjährigen Auf enthalt im Jahre 1968 Freunde, die bereit sind, seine Habe einzulagern, bis er selbst nach München kommen wird. Der Aufenthalt in London ist für den Autor durchaus erfolgreich. Etliche gute und sehr gute Bespre chungen erscheinen. Roy Foster schreibt im Times Literary Supplement, das Buch sei »außergewöhnlich brutal, kompromisslos und wirkungsvoll. ›Der Nazi & der Friseurs obwohl deutsch geschrieben, ist bisher noch nicht in Deutschland veröffentlicht worden« und er fragt sich, was wohl das deutsche Volk zu diesem Buch sagen würde. Auch Alfred Starkmann, der Hilsen rath für die BBC interviewt und als Korrespondent für die Neue Zürcher Zeitung tätig ist und dort schreibt, der Roman sei der »Durchbruch in der Behandlung zeit genössischen Grauens«, fürchtet, dieses Buch werde von den deutschen Verlagen abgelehnt, weil sie meinen, »es sei zu kontrovers für teutonische Leser«.
    Herbst 1967. Der Cheflektor des Verlages Doubleday & Company in New York, Ken McCormick, bittet seinen Autor Edgar Hilsenrath zu einem Gespräch in sein Büro. Hilsenrath hatte ein Jahr zuvor in diesem Verlag den Gettoroman »Night« veröffentlicht, der von der amerikanischen Presse wohlwollend aufgenommen worden war.
    Ken McCormick ist kein Freund langer Vorreden, er stellt nach kurzer Begrüßung sofort die entscheidende Frage: »Herr Hilsenrath, können Sie uns nicht ein zwei tes Buch schreiben? Ja sicher! Mache ich gern! Haben Sie irgendeine Idee? Ja. Der Nazi & der Friseur. Es war zwar noch unreif, aber ich habe ihm die Geschichte erklärt. Hat er gesagt, das ist gut, das kaufen wir. Schreiben Sie uns ein kleines Expose und wir machen einen Vertrag. Da habe ich das gemacht. Habe das Expose in Deutsch geschrieben und habe es ins Englische übersetzen lassen. Ich schickte es Doubleday und sie haben mir 5.000 Dollar Anzahlung gegeben.«
    Um während des Schreibens im heimischen Sprachraum zu leben, packt der Autor seine alte Schreibma schine, eine Groma, das Expose und ein paar Klamotten ein und macht sich auf den Weg nach München. In der Stadt, in der Hitler mit seiner nationalsozialistischen Bewegung frühe Erfolge feiern konnte, will er seinen Roman über die Täter schreiben. In Schwabing, in der Clemensstraße 28, findet er ein schönes, großes Zimmer, sogar mit Bett und

Weitere Kostenlose Bücher