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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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be­reits.
    „Laß uns lau­fen“, sag­te Hel­ga, denn sie kann­te sei­ne Vor­lie­be für Fuß­mär­sche. „Es ist nicht weit.“
    Er nick­te, und sie gin­gen ra­schen Schrit­tes die lan­gen, fast men­schen­lee­ren Stra­ßen ent­lang. Die Nacht lag schwer über der Stadt, die Hoch­häu­ser Man­hat­t­ans rag­ten wie ein schwar­zes Ge­bir­ge um sie auf, und nur hin und wie­der be­geg­ne­ten ih­nen ein ver­ein­zel­tes Fahr­zeug oder ein ein­sa­mer Fuß­gän­ger. Co­rinth dach­te dar­an, daß die Ver­än­de­rung New Yorks ver­sinn­bild­lich­te, was mit der Welt ge­sche­hen war.
    „Wie steht’s mit Shei­las Ar­beit?“ frag­te Hel­ga. Co­rinth hat­te sei­ner Frau ei­ne Be­schäf­ti­gung im Ent­las­tungs­zen­trum be­sorgt, in der Hoff­nung, daß dies ih­re Mo­ral wie­der auf­rich­ten wür­de. Er zuck­te die Ach­seln und sag­te nichts. Es war bes­ser, das Ge­sicht in den dün­nen Wind zu he­ben, der zwi­schen den dunklen Wän­den da­hin­strich. Auch Hel­ga schwieg, wenn er das Be­dürf­nis nach ei­nem Ge­spräch ver­spür­te, wür­de sie zur Stel­le sein.
    Über Ro­ger’s Café leuch­te­te ein be­schei­de­nes Ne­on­licht. Sie tra­ten durch die Tür und fan­den sich in ei­nem blau­en Zwie­licht wie­der, das sie kalt und lu­mi­nes­zie­rend um­gab, als ob es die Luft sel­ber war, die das Licht aus­strahl­te. Gu­ter Trick, dach­te Co­rinth, wie sie das wohl ma­chen? – und einen Mo­ment spä­ter hat­te er das neue Fluo­res­zen­s­prin­zip ent­rät­selt, auf dem die Er­schei­nung ba­sier­te. Viel­leicht hat­te ein In­ge­nieur plötz­lich ent­schie­den, daß er es vor­zog, ein Re­stau­rant zu be­trei­ben.
    Die Ti­sche stan­den wei­ter von­ein­an­der ent­fernt, als es frü­her üb­lich ge­we­sen war. Co­rinth be­merk­te ne­ben­bei, daß sie in ei­ner Spi­ra­le an­ge­ord­net wa­ren, die die Schrit­te der Be­die­nung von der Kü­che und zu­rück im Durch­schnitt auf ein Mi­ni­mum re­du­zier­te. Aber es war ei­ne Ma­schi­ne, die auf Gum­mi­rä­dern her­an­roll­te und ih­nen Be­stell­block und Schreib­stift ent­ge­gen­streck­te.
    Die Spei­se­kar­te führ­te nur we­ni­ge Fleisch­ge­rich­te – es herrsch­te im­mer noch Le­bens­mit­tel­knapp­heit –, aber Hel­ga be­stand dar­auf, daß das So­ja Su­pre­me wun­der­bar sei, und Co­rinth be­stell­te zwei Por­tio­nen.
    Als die Ape­ri­tifs ge­bracht wur­den, stie­ßen sie über der wei­ßen Tisch­de­cke mit­ein­an­der an. Sie blick­te ihn ernst und war­tend an. „Was he­al.“
    „Drinc he­al“, ant­wor­te­te sie und füg­te dann nach­denk­lich hin­zu: „Ich fürch­te, un­se­re Nach­kom­men wer­den un­se­re Vor­fah­ren über­haupt nicht mehr ver­ste­hen. Das gan­ze herr­li­che bar­ba­ri­sche Er­be wird nur noch als tier­haf­tes Laut­ge­ben er­schei­nen, oder? Wenn ich an die Zu­kunft den­ke, über­läuft es mich manch­mal kalt.“
    „Dich al­so auch“, mur­mel­te er und wuß­te, daß sie nur aus der Re­ser­ve her­aus­ge­kom­men war, um es ihm leich­ter zu ma­chen, sich zu er­leich­tern.
    Ei­ne klei­ne Ka­pel­le be­trat das Po­di­um im Hin­ter­grund. Co­rinth er­kann­te drei der Män­ner als Mu­si­ker wie­der, die vor der Ver­än­de­rung be­rühmt ge­we­sen wa­ren. Sie führ­ten die al­ten In­stru­men­te mit sich, Gei­gen, ei­ni­ge Holz­blas­in­stru­men­te und ei­ne Trom­pe­te, aber es gab auch ei­ni­ge neue. Nun ja, bis es wie­der phil­har­mo­ni­sche Grup­pie­run­gen gab, falls es über­haupt je­mals da­zu kom­men wür­de, wa­ren ernst­haf­te Künst­ler be­stimmt froh, daß sie die Ge­le­gen­heit hat­ten, in ei­nem Re­stau­rant zu spie­len – zu­dem wür­den sie ein ver­ständ­nis­vol­le­res Pu­bli­kum ha­ben als nor­ma­ler­wei­se in der Ver­gan­gen­heit.
    Er sah sich un­ter den üb­ri­gen Be­su­chern um. Es wa­ren ganz nor­mal aus­se­hen­de Men­schen, Ar­bei­ter mit schwie­li­gen Hän­den, Sei­te an Sei­te mit dün­nen, schmal­schult­ri­gen An­ge­stell­ten und bär­ti­gen In­tel­lek­tu­el­len. Die neue Nackt­heit hat­te die al­ten Un­ter­schie­de aus­ge­löscht, je­der­mann fing er­neut beim Null­punkt an. Die Klei­dung war ein­heit­lich be­quem: am Kra­gen

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