Der Nebel weicht
bereits.
„Laß uns laufen“, sagte Helga, denn sie kannte seine Vorliebe für Fußmärsche. „Es ist nicht weit.“
Er nickte, und sie gingen raschen Schrittes die langen, fast menschenleeren Straßen entlang. Die Nacht lag schwer über der Stadt, die Hochhäuser Manhattans ragten wie ein schwarzes Gebirge um sie auf, und nur hin und wieder begegneten ihnen ein vereinzeltes Fahrzeug oder ein einsamer Fußgänger. Corinth dachte daran, daß die Veränderung New Yorks versinnbildlichte, was mit der Welt geschehen war.
„Wie steht’s mit Sheilas Arbeit?“ fragte Helga. Corinth hatte seiner Frau eine Beschäftigung im Entlastungszentrum besorgt, in der Hoffnung, daß dies ihre Moral wieder aufrichten würde. Er zuckte die Achseln und sagte nichts. Es war besser, das Gesicht in den dünnen Wind zu heben, der zwischen den dunklen Wänden dahinstrich. Auch Helga schwieg, wenn er das Bedürfnis nach einem Gespräch verspürte, würde sie zur Stelle sein.
Über Roger’s Café leuchtete ein bescheidenes Neonlicht. Sie traten durch die Tür und fanden sich in einem blauen Zwielicht wieder, das sie kalt und lumineszierend umgab, als ob es die Luft selber war, die das Licht ausstrahlte. Guter Trick, dachte Corinth, wie sie das wohl machen? – und einen Moment später hatte er das neue Fluoreszensprinzip enträtselt, auf dem die Erscheinung basierte. Vielleicht hatte ein Ingenieur plötzlich entschieden, daß er es vorzog, ein Restaurant zu betreiben.
Die Tische standen weiter voneinander entfernt, als es früher üblich gewesen war. Corinth bemerkte nebenbei, daß sie in einer Spirale angeordnet waren, die die Schritte der Bedienung von der Küche und zurück im Durchschnitt auf ein Minimum reduzierte. Aber es war eine Maschine, die auf Gummirädern heranrollte und ihnen Bestellblock und Schreibstift entgegenstreckte.
Die Speisekarte führte nur wenige Fleischgerichte – es herrschte immer noch Lebensmittelknappheit –, aber Helga bestand darauf, daß das Soja Supreme wunderbar sei, und Corinth bestellte zwei Portionen.
Als die Aperitifs gebracht wurden, stießen sie über der weißen Tischdecke miteinander an. Sie blickte ihn ernst und wartend an. „Was heal.“
„Drinc heal“, antwortete sie und fügte dann nachdenklich hinzu: „Ich fürchte, unsere Nachkommen werden unsere Vorfahren überhaupt nicht mehr verstehen. Das ganze herrliche barbarische Erbe wird nur noch als tierhaftes Lautgeben erscheinen, oder? Wenn ich an die Zukunft denke, überläuft es mich manchmal kalt.“
„Dich also auch“, murmelte er und wußte, daß sie nur aus der Reserve herausgekommen war, um es ihm leichter zu machen, sich zu erleichtern.
Eine kleine Kapelle betrat das Podium im Hintergrund. Corinth erkannte drei der Männer als Musiker wieder, die vor der Veränderung berühmt gewesen waren. Sie führten die alten Instrumente mit sich, Geigen, einige Holzblasinstrumente und eine Trompete, aber es gab auch einige neue. Nun ja, bis es wieder philharmonische Gruppierungen gab, falls es überhaupt jemals dazu kommen würde, waren ernsthafte Künstler bestimmt froh, daß sie die Gelegenheit hatten, in einem Restaurant zu spielen – zudem würden sie ein verständnisvolleres Publikum haben als normalerweise in der Vergangenheit.
Er sah sich unter den übrigen Besuchern um. Es waren ganz normal aussehende Menschen, Arbeiter mit schwieligen Händen, Seite an Seite mit dünnen, schmalschultrigen Angestellten und bärtigen Intellektuellen. Die neue Nacktheit hatte die alten Unterschiede ausgelöscht, jedermann fing erneut beim Nullpunkt an. Die Kleidung war einheitlich bequem: am Kragen
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