Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
Vom Netzwerk:
ge­re­det, und Co­rinth hat­te Shei­la hin­ter das Schiff ge­führt.
    Klein und zer­brech­lich sah sie aus in ih­rem Win­ter­man­tel. Sie war ma­ger ge­wor­den, ih­re fei­nen Kno­chen stan­den un­ter der Haut her­vor, und ih­re Au­gen wa­ren rie­sig. Sie saß nur da und starr­te an ihm vor­bei – sie war so still ge­wor­den in letz­ter Zeit –, Co­rinth zit­ter­te ein we­nig. Die Hän­de, die in den sei­nen la­gen, wa­ren schreck­lich dünn.
    „Ich soll­te dich nicht al­lein las­sen, Lieb­ling“, sag­te er, in­dem er die Wor­te auf die al­te Wei­se aus­sprach und sie mit sei­ner Stim­me strei­chel­te.
    „Es wird ja nicht lan­ge dau­ern“, ent­geg­ne­te sie ton­los. Sie trug kein Ma­ke-up, und ih­re Lip­pen wa­ren blei­cher als sie sein soll­ten. „Ich glau­be, es geht mir lang­sam bes­ser.“
    Er nick­te. Der Psych­ia­ter, Kear­nes, war ein gu­ter Mann, ein rund­li­cher, vä­ter­li­cher Typ mit ra­sier­mes­ser­schar­fem Ver­stand. Er gab zu, daß sei­ne The­ra­pie ex­pe­ri­men­tell war, ein vor­sich­ti­ges Tas­ten in die Dun­kel­heit des neu­en mensch­li­chen Geis­tes, aber er hat­te bei ei­ni­gen Pa­ti­en­ten po­si­ti­ve Re­sul­ta­te vor­zu­wei­sen. Er lehn­te die Bar­ba­rei der Ge­hirn­ver­stüm­me­lung durch Chir­ur­gie oder Elek­tro­schocks ab und ging da­von aus, daß ei­ne Pe­ri­ode der Iso­la­ti­on vom Ge­wohn­ten und Be­kann­ten dem Pa­ti­en­ten die Mög­lich­keit gab, un­ter ein­fühl­sa­mer An­lei­tung die nö­ti­ge Neu­be­wer­tung vor­zu­neh­men …
    („Die Ver­än­de­rung war für je­den Or­ga­nis­mus , der ein Ner­ven­sys­tem be­sitzt, ein un­ver­gleich­li­cher Schock“, hat­te Dr. Kear­nes ge­sagt. „Die Glück­li­chen – die­je­ni­gen mit star­kem Wil­len, die Ent­schlos­se­nen, die Un­be­küm­mer­ten, die­je­ni­gen, de­ren In­ter­es­sen frei­wil­lig oder ge­zwun­ge­ner­ma­ßen mehr nach au­ßen als nach in­nen ge­rich­tet wa­ren, die­je­ni­gen, die an­ge­streng­te, kom­pli­zier­te Ge­dan­ken­ar­beit schon im­mer als na­tür­li­chen und an­ge­neh­men Vor­gang emp­fun­den ha­ben – schei­nen die An­pas­sung oh­ne großen Scha­den vor­ge­nom­men zu ha­ben; ob­wohl ich glau­be, daß wir al­le die Nar­ben die­ses Schocks bis zum En­de un­se­rer Ta­ge tra­gen wer­den. Die we­ni­ger Glück­li­chen aber sind in ei­ne Neu­ro­se ge­trie­ben wor­den, die sich in vie­len Fäl­len zu ei­ner tie­fen Psy­cho­se ent­wi­ckelt hat. Ih­re Frau, Dr. Co­rinth – las­sen Sie es mich of­fen sa­gen –, be­fin­det sich in ge­fähr­li­cher Nä­he zum Wahn­sinn. Ihr bis­he­ri­ges Le­ben, das im we­sent­li­chen be­hü­tet und un­in­tel­lek­tu­ell ge­we­sen ist, hat sie in kei­ner Wei­se auf ei­ne der­ar­tig ra­di­ka­le Ver­än­de­rung ih­res Seins vor­be­rei­tet; und der Um­stand, daß sie we­der Kin­der hat, um die sie sich sor­gen müß­te, noch mit dem Pro­blem des nack­ten Über­le­bens kon­fron­tiert ist, hat da­für ge­sorgt, daß ihr die Ver­än­de­rung voll be­wußt ge­wor­den ist und von ih­rer ge­sam­ten Per­sön­lich­keit Be­sitz er­grif­fen hat. Die al­ten For­men der An­pas­sung und Kom­pen­sa­ti­on, die schüt­zen­de Ver­geß­lich­keit und der Selbst­be­trug, über die wir al­le ver­füg­ten, sind nicht mehr zu ge­brau­chen, und sie war nicht in der La­ge, neue zu ent­wi­ckeln. Die Sor­ge über die Sym­pto­me ver­stärk­te die­se na­tür­li­cher­wei­se, ein Teu­fels­kreis. Aber ich glau­be, ich kann ihr hel­fen. So­bald wir die gan­ze An­ge­le­gen­heit bes­ser ver­ste­hen, soll­te es so­gar mög­lich sein, ei­ne voll­stän­di­ge Hei­lung zu er­rei­chen … Wann ge­nau das sein wird, weiß ich nicht. Aber es wird kaum län­ger als ein paar Jah­re dau­ern, bei dem Tem­po, mit dem die Wis­sen­schaft sich wei­ter­ent­wi­ckelt; und wäh­rend­des­sen soll­te Ih­re Frau in der La­ge sein, so­weit zu kom­pen­sie­ren, daß sie wie­der ei­ni­ger­ma­ßen glück­lich und aus­ge­gli­chen wird.“)
    „Nun, ich …“
    Furcht sprach plötz­lich aus ih­ren Au­gen. „Oh, Pe­te, Lieb­ling, sei vor­sich­tig dort drau­ßen. Komm zu mir zu­rück!“
    „Das wer­de ich“, sag­te er und

Weitere Kostenlose Bücher