Der Nebel weicht
leisten konnte. Auch die reine Grundlagenforschung diente der Wirtschaft. Er hatte sein Vermögen mit Leichtmetallen gemacht, vom rohen Erz bis zu fertigen Produkten und einem runden Dutzend Querverbindungen zu anderen Geschäften; offiziell fast zurückgezogen, hielt er die Zügel weiter fest in seinen schmalgliedrigen Händen. Selbst bakteriologische Forschung konnte sich als nützlich erweisen. Vor gar nicht so langer Zeit hatte man an der bakteriellen Extraktion von Öl aus Schiefer gearbeitet, und Corinths Untersuchung der Resonanzverbindungen in Kristallstrukturen konnte beträchtliche Auswirkungen auf die Metallurgie haben. Grunewald stellte sich schon jetzt begeistert vor, was diese Tatsache für ihren wissenschaftlichen Ruf bedeuten würde. Vor dem Mittagessen hatten sie bereits eine ganze Anzahl von Differentialgleichungen aufgestellt, die sie dem Computer eingeben wollten, sobald er wieder zu ihrer Verfügung stand.
Dann klingelte das Telefon. Es war Lewis, der vorschlug, sie sollten miteinander essen gehen. „Ich bin heute einer heißen Sache auf der Spur“, antwortete Corinth ausweichend. „Vielleicht lasse ich mir nur ein paar Sandwiches heraufschicken.“
„Mir ist auch was Tolles eingefallen“, meinte Lewis, „aber ich weiß noch nicht, ob ich wirklich auf dem richtigen Weg bin. Deshalb möchte ich es gern mit dir besprechen.“
„Oh, na gut. In der Kantine, ja?“
„Wenn du nur irgend etwas hinunterwürgen willst – gut, einverstanden.“ Lewis liebte drei Stunden lange Gelage, komplett mit Wein und Violinen, eine Gewohnheit, die er während seiner Dienst jähre im Nachkriegswien angenommen hatte.
„Paßt dir ein Uhr? Das Fußvolk ist dann schon abgefüttert.“
„Okay.“ Corinth hängte auf und verlor sich wieder in der kühlen Ekstase seiner Arbeit.
Als er wieder auf die Uhr schaute, war es bereits halb zwei, und er hastete fluchend zur Kantine.
Lewis nahm gerade Platz, als Corinth sein Tablett herüberbrachte. „Danach, wie du dich am Telefon angehört hast, habe ich mir schon gedacht, daß du zu spät kommen würdest“, sagte er. „Was hast du dir geholt? Das normale Caféteria-Menü, nehme ich an. In Magermilch ertränkte Mäuse, Filets von See-Igeln, dazu gebackene … na ja, ist ja auch egal.“
Er trank einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht.
Er sah eigentlich gar nicht verwöhnt aus, ein kurz gebauter vierschrötiger Mann von achtundvierzig Jahren, der langsam dick und kahl wurde mit scharfen Augen hinter einer dickglasigen, randlosen Brille. Beim Essen und Trinken langte er allerdings auch wirklich kräftig zu. Aber acht Jahre in Europa hatten seinen Geschmack beeinflußt, und er bestand darauf, daß seine Nachkriegsreisen rein gastronomischer Natur gewesen seien.
„Was du brauchst“, sagte Corinth mit der Selbstgefälligkeit des Bekehrten, „ist eine Frau. Heirate.“
„Ich hatte ähnliche Gedanken, als meine Sturm- und Drangzeit vorbei war. Aber, na ja, was soll’s. Jetzt ist es zu spät.“
Lewis nahm ein Minutensteak in Angriff, das er immer so aussprach, als ob „Minute“ ein Synonym für „winzig“ sei, und nuschelte mit vollem Mund. „Im Moment bin ich weit mehr an der histologischen Seite der Biologie interessiert.“
„Du hast gesagt, du hättest Ärger …“
„Ja, mit meinen Assistenten. Jeder scheint heute irgendwie aufgekratzt zu sein, und der junge Roberts hat noch wildere Ideen als sonst. Aber genau das ist meine Arbeit. Ich habe dir schon davon erzählt, oder? Ich untersuche Nervenzellen-Neuronen. Ich versuche sie in verschiedenen künstlichen Medien am Leben zu erhalten und dabei festzustellen, wie ihre elektrischen
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