Der Nebel weicht
Unterbrechung der Stromversorgung. Sie mußte die notwendige Zeit abschätzen, sie würde bewußtlos sein, wenn der Prozeß unterbrochen werden mußte.
Vielleicht würde es nicht funktionieren. Es konnte durchaus sein, daß sie ihr Gehirn nur verschmorte. Und wenn schon.
Sie sah lächelnd aus dem Fenster, als sie sich die Injektion setzte. Leb wohl, Sonne, lebt wohl, blauer Himmel, Wolken, Regen, wundersamer Gesang der heimkehrenden Vögel. Lebt wohl und – danke.
Sie zog sich aus, legte sich auf den Tisch und befestigte die Elektroden. Sie fühlten sich kalt an. Einige der Anschnallgurte waren leicht zu schließen, aber der rechte Arm … nun, sie war nicht unvorbereitet gekommen, sie hatte einen langen Gürtel mitgebracht, der unter dem Tisch und um ihr Handgelenk lief, und ein Patentschloß, das sie jetzt zuschnappen ließ. Jetzt war sie unbeweglich.
Ihr Blick verschleierte sich, als die Droge zu wirken begann. Es tat gut zu schlafen.
Jetzt – ein kurzer Ruck mit den Zähnen.
DONNER UND FEUER UND SCHMETTERNDE DUNKELHEIT, ZERSTÖRUNG UND AUFLÖSUNG, SCHRECKEN UND ZUCKENDE BLITZE – QUAL, QUAL, QUAL.
19
„Hallo, Erde. Peter Corinth von Sternenschiff I, auf Heimatkurs.“
Das Zischen und Murmeln der kosmischen Störungen, die Sprache der Sterne. Die Erde ein anschwellender blauer Glanz vor dem Hintergrund der Nacht, der Mond hing wie eine Perle an den Brüsten der Galaxis, die Sonne war von Flammen umhüllt.
„Hallo, Erde. Bitte kommen, bitte kommen. Erde, hören Sie mich?“
Klick, klick, zzzzz, mmmmmm, Stimmen des Alls.
Hallo Sheila!
Der Planet vor ihnen wurde größer. Der Schiffsantrieb schnurrte und dröhnte, jede Platte der Hülle erzitterte unter den pochenden Energien; ein feines, unbändiges Singen ließ die Kristalle des Metalls vibrieren. Corinth bemerkte, daß auch er zitterte, aber er wollte sich nicht kontrollieren, nicht jetzt.
„Hallo, Erde“, sagte er monoton in das Funkgerät.
Sie flogen jetzt weit unter Lichtgeschwindigkeit, und ihr Signal eilte ihnen blind durch die Dunkelheit voraus. „Hallo, Erde, hört ihr mich? Hier spricht Sternenschiff I im Anflug auf die Erde.“
Lewis grummelte etwas, das heißen sollte: (Vielleicht haben sie seit unserem Start den Funk aufgegeben. In all diesen Monaten …)
Corinth schüttelte den Kopf. „Sie werden immer noch irgendwelche Beobachtungs- oder Überwachungsgeräte haben.“ Dann sprach er wieder ins Mikrophon: „Hallo, Erde, bitte kommen, Erde. Hört mich irgend jemand auf der Erde?“
„Falls uns irgendein Amateur hören sollte – ein fünfjähriges Kind in Rußland, Indien oder Afrika –, muß er erst eine Station verständigen, die uns erreichen kann“, sagte Lewis. „Das braucht seine Zeit. Entspanne dich, Pete.“
„Ich glaube, du hast recht, es wird etwas dauern.“ Corinth drehte sich in seinem Sessel herum. „Wir werden sowieso bald landen. Aber ich wollte, daß ein richtiger Empfang für uns vorbereitet wird!“
„Ein Dutzend Limfjord-Austern mit viel Zitrone“, meinte Lewis verträumt und sprach alle Worte laut aus. „Rheinwein natürlich – sagen wir einen 37er. Krabben in frischer Majonäse, auf französischem Weißbrot mit frischer Butter. Räucheraal mit kaltem Rührei auf Pumpernickel …“
Corinth grinste, obwohl die Hälfte seines Denkens bei Sheila weilte, allein mit ihr, weit weg, irgendwo im Sonnenschein, es war ein seltsam erwärmendes Gefühl, nur so dazusitzen und Gemeinplätze auszutauschen, auch wenn diese kaum mehr waren als ein vereinzeltes Wort oder ein Wechsel des Ausdrucks. Den ganzen Rückweg über hatten sie diskutiert wie trunkene Götter, hatten die Möglichkeiten ihres Intellekts erforscht; aber es hatte
Weitere Kostenlose Bücher