Der Nebel weicht
mußte das nächste Schiff ein Traum an Perfektion sein: so als ob die Gebrüder Wright als zweiten Prototyp einen Düsenklipper gebaut hätten. Er nahm an, daß er noch die Zeit erleben würde, wo die Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik eine letzte, endgültige Grenze erreichen würde, die nur noch durch die Naturgesetze selbst bestimmt war. Danach würde sich der Mensch neue Ziele setzen und ein anderes Feld intellektuellen Abenteuers finden müssen, und er glaubte zu wissen, was das sein würde. Er betrachtete den anwachsenden Planeten mit zärtlicher Wehmut. Ave atque vale!
Die Sichel, die sie bisher hauptsächlich gesehen hatten, wurde zu einer fleckigen, wölken verhangenen Scheibe, als ihre Bahn sie zur Tagseite führte. Dann, fast unmerklich, lag der Planet nicht mehr vor, sondern unter ihnen, und sie hörten das erste dünne Kreischen verdrängter Luft. Sie strichen über die Weite des mondbeschienenen Pazifiks, bremsten, sahen die Morgendämmerung über der Sierra Nevada und hatten bald das silberne Band des Mississippi erreicht, das sich durch die Weiten des Mittelwestens schlängelte. Dann sanken sie nach unten, und die Spitzen Manhattans ragten vor dem Meer auf.
Corinths Herz hämmerte. Sei still, befahl er ihm, sei still und warte. Wir haben jetzt Zeit. Er steuerte das Schiff in Richtung Brookhaven, wo der Raumhafen als häßlicher grauer Fleck wartete und sah einen anderen glänzenden Speer, der sich in den Himmel streckte. Also hatten sie schon mit dem nächsten Schiff begonnen.
Ein kleiner Stoß erschütterte das Schiff, als es in der Landevorrichtung aufsetzte. Lewis beugte sich vor und schaltete die Maschinen aus. Als sie erstarben, schien das plötzliche Schweigen in Corinths Ohren widerzuhallen. Ihm war gar nicht bewußt gewesen, wie sehr das endlose Dröhnen zu einem Teil von ihm geworden war.
„Also los!“ Er war aus dem Sessel und an der Schleuse, bevor Lewis sich überhaupt rühren konnte. Seine Finger zitterten, als sie über komplizierte Muster für das elektronische Schloß webten. Die innere Tür schwang sanft und geräuschlos auf, und dann öffnete sich auch die äußere. Ein Windstoß trieb nach Salz und Meer riechende Luft hinein.
Sheila! Wo ist Sheila? Er hastete unbeholfen die Leiter herunter, seine dunkle Gestalt hob sich vom Metall der Hülle ab. Es war pockennarbig und schartig und von merkwürdigen Kristallisationsmustern überzogen – das Schiff hatte eine weite und seltsame Reise hinter sich. Er erreichte den Boden, strauchelte und fiel hin, war aber sofort wieder auf den Beinen, bevor ihm jemand helfen konnte.
„Sheila!“ rief er.
Felix Mandelbaum trat vor und streckte ihm die Hände entgegen. Er sah alt und sehr müde aus – ausgebrannt. Er nahm Corinths Hände, blieb aber stumm.
„Wo ist Sheila?“ flüsterte Corinth. „Wo ist sie?“
Mandelbaum schüttelte den Kopf. Jetzt kletterte auch Lewis vorsichtig nach unten. Rossman ging zu ihm herüber, vermied es aber, Corinth anzusehen. Die anderen folgten – sie waren alle Brookhaven-Leute, keine engeren Freunde, aber auch sie blickten zur Seite.
Corinth versuchte zu schlucken, es gelang ihm nicht. „Tot?“ fragte er dann zögernd. Der Wind murmelte und zerzauste sein Haar.
„Nein“, sagte Mandelbaum. „Sie ist auch nicht verrückt. Aber …“ Er schüttelte den Kopf, und das schmale Gesicht mit der großen Nase verzog sich schmerzlich. „Nein.“
Corinth holte erschauernd Luft. Man sah, wie sein Gesicht unter der Willensanstrengung ausdruckslos wurde. Er würde nicht weinen.
„Weiter“, forderte er Mandelbaum auf. „Was ist mit ihr?“
„Es war vor ungefähr sechs Wochen. Ich nehme an, sie hat es einfach nicht mehr ertragen. Sie ist
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