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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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möchte einen Unfall melden. Es hat einen Toten gegeben.« Sie fragten nicht nach Einzelheiten, sondern baten nur um die Adresse. Rosa gab sie ihnen und fügte hinzu, daß es sich um eine Sackgasse handelte, die von der Packington Street abging. Sie fand noch zwei Groschen und rief die Schule an. Die letzte Stunde war bereits seit zehn Minuten zu Ende. Sie sprach mit Kathys Klassenlehrerin. Guy war noch nicht aufgetaucht. Die Lehrerin hatte vollstes Verständnis und erklärte sich bereit, die beiden mit zu sich nach Hause, nach Fortune Green, mitzunehmen.
      Rosa bedankte sich bei ihr und wollte gerade auflegen, als Mr. Christoforou in die Eingangshalle kam. Er trug jetzt eine ziemlich schmuddelige weiße Nylonjacke und hatte sich offensichtlich wachgemacht, indem er seinen Kopf in Wasser getaucht hatte. Sein feistes braunes Gesicht war immer noch feucht, und sein dicker Schnurrbart und seine dunklen Locken glänzten.
      »Was zum Teufel Sie suchen an meine Telefon? Los, weg hier.« Sein Englisch mochte nicht ganz einwandfrei sein, doch der wütende Blick, den er auf sie richtete, war unmißverständlich. Die legendäre Gastfreundschaft der Griechen war hier offensichtlich nicht gefragt. Rosa setzte an, ihm die Situation zu erklären, als ein Polizeiwagen auf den Platz fuhr und direkt vor der Oasis-Fish-Bar hielt. Zwei Polizisten sprangen aus dem Wagen und kamen in den Imbiß. Der eine, ein Sergeant, schien Ende Dreißig zu sein, und der andere sah aus wie ein Schuljunge. Gefolgt von Mr. Christoforou, ging Rosa durch den Plastikvorhang in das Innere des Ladens. Der ältere Polizeibeamte musterte sie kurz und sagte dann zu Duffy:
      »Wenn ich recht verstehe, hat es hier einen Unfall gegeben.«
      »In dem Zimmer links oberhalb der Treppe.«
      »Haben Sie irgend etwas berührt?«
      »Der Raum ist abgeschlossen. Ich habe ihn nur durch das Fenster gesehen.«
      Der Sergeant wandte sich an Mr. Christoforou: »Sind Sie der Besitzer dieses Hauses?« Dann, als der Grieche nickte: »Haben Sie einen Schlüssel zu diesem Zimmer?«
      »Nein. Der Mistkerl hat seinen verloren, da ich ihm meinen gegeben, bis er sich neuen macht. Natürlich hat er nie getan.«
      Der Sergeant verschloß die Ladentür und schob den Riegel vor. »Ich muß Sie alle bitten, einen Moment hierzubleiben.« Er zwängte sich vorsichtig zwischen den Tischen hindurch, verließ den Ladenraum und rannte dann angesichts seines Körpergewichts mit erstaunlicher Behendigkeit die Treppe hinauf. Der junge Constable folgte ihm. Die im Imbiß Zurückgebliebenen hörten, wie er an dem Türknopf rüttelte, und dann, nach einer kurzen Unterbrechung, ein lautes Krachen.
      Mr. Christoforou rannte aus dem Laden die Treppen hinauf. Er schrie auf die Polizisten ein. Er begann mit einem hysterischen Kreischen, das sich dann steigerte; das beschwichtigende Knurren des Sergeants unterstrich dieses Tremolo noch, und das Duett wurde nur vom zunehmend lauten Krachen einer Schulter gegen Holz unterbrochen. Dann gab die Tür nach, und in dem Moment hörte das Streitgespräch abrupt auf.
      Später erinnerte sich Rosa daran, wie schnell das Schweigen der am Tatort Anwesenden - schwer vor ungläubigem Staunen - sich mit dem der Zuhörenden - voller Angst und Neugierde - vermischte, als komme das Entsetzen wie in dichten Rauchschwaden die Treppe hinunter in den Raum und drohe sie zu ersticken. Das dauerte nur einen kurzen Moment, dann hörten sie, wie sich jemand übergab.
      Schritte auf der Treppe. Mr. Christoforou kam durch den Vorhang gewankt und ließ sich in den nächstbesten Stuhl fallen. Im oberen Stockwerk war immer noch das Würgen zu hören; dann wurde eine Toilettenspülung betätigt. Rosa nahm an, daß es der junge Constable war. Noch nie hatte sie jemanden mit einer dunklen Hautfarbe erblassen sehen. Der Grieche sah aus wie eine schimmelige Apfelsine. Er sagte:
      »Er verrückt sein ... Mutter Gottes ... er muß wahnsinnig sein.«
      Die Gegenwartsform beunruhigte Rosa. Sie beugte sich vor und zupfte Duffy am Ärmel. Er reihte den Gewürzständer, eine Flasche Essig und eine rote Plastiktomate ordentlich in einer Linie auf. Gleichgültig, wie behutsam er dabei vorging, standen sie nie richtig. Die Wölbung der roten Tomate schob sich vor die Rundung der Essigflasche, und sobald sie von vorn eine gerade Linie bildeten, bot sich von hinten die gleiche unregelmäßige Sicht. Er rückte die Essigflasche einige Millimeter vor, runzelte die Stirn

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