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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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durch den Kopf; sie hätte schreien mögen: »Ich hab' dich!« Das Kräfteverhältnis hatte sich zu ihren Gunsten verschoben. Sie klopfte gebieterisch. Hinter der Tür rührte sich nichts.
      »Wir stehen wirklich unter Zeitdruck, meine Liebe. Wenn du deine Kinder um Viertel vor vier von der Schule abholen willst, müssen wir jetzt gehen. Wir haben erreicht, was wir wollten. Alles, was wir jetzt noch tun müssen, ist, das Ganze der Polizei zu melden. Bevor wir gehen, sollten wir noch mal mit Sorbas reden, ansonsten könnte er etwas verraten. Wir wollen doch nicht, daß der kleine Mistkerl zurückkommt und dann verduftet, bevor wir ihn erwischen.«
      Sie hörten entrüstete Schreie auf der Straße. Rosa sagte: »Da drinnen ist jemand. Ich weiß es einfach.«
      »Nun, da keiner antwortet, wüßte ich nicht, was wir sonst noch tun könnten, mein Schatz.« Er rüttelte am Türknauf. Die Tür war verschlossen. »Was in Gottes Namen ist da unten los?«
      »Ich glaube, es ist der Fensterputzer. Wegen des Wagens kann er sein Zeug nicht wegfahren.«
      »Na, dann komm. Noch ein Grund, es für heute gut sein zu lassen.«
      Zögernd folgte sie ihm die Treppe hinunter, wobei sie sich immer wieder umsah, als fürchte sie, die Tür würde plötzlich verschwinden. Die einzige Verbindung zu ihrem Verfolger. Nein. So brauchte sie es nicht mehr zu formulieren. Jetzt war sie die Verfolgerin. Sobald sie auf den Hof kamen, rannte der Fensterputzer auf sie zu. Es war schon merkwürdig, daß sie jetzt, als er wutschnaubend mit hochrotem Gesicht vor ihr stand, keine Angst mehr hatte.
      »Ist das da drüben etwa Ihr verfluchter Wagen?«
      »Ja. Tut mir leid - «
      »Verdammt noch mal, ich hab' auf der Packington Street drei Jobs zu erledigen. Ich bin sowieso schon 'ne Viertelstunde zu spät dran. Vielleicht müssen Sie ja nicht für Ihren Lebensunterhalt arbeiten.«
      »Warten Sie einen Moment.« Rosa öffnete ihre Handtasche. »Bitte ...« Sie holte ihr Portemonnaie hervor. Der Fensterputzer fiel in sich zusammen, als habe man mit einer Nadel in einen Luftballon gestochen. Man meinte, die Wut förmlich aus Mund und Nase entweichen zu sehen.
      »Nee, nee. Is' schon in Ordnung. Seh'n Se nur zu, daß Se wegkommen, meine Dame. Is' wirklich nich' nötig.«
      Sie hielt ihm die Fünfpfundnote entgegen. »Könnte ich bitte Ihre Leiter leihen? Nur für fünf Minuten.«
      »Aha, das is' was anderes.« Er nahm den Schein an sich. »Wenn's um 'n Geschäft geht.« Er ging davon und kam mit der Leiter zurück. »Sie is' ausziehbar. Wenn man nich' dran gewöhnt is', klemmt man sich leicht die Finger ein.« Und mit einem neugierigen Blick fuhr er fort: »Sie sagen, wo Se se hinhaben wollen, und ich stell' sie für Se auf.«
      Sie hörte, wie Duffy mit erneut aufkommender Ungeduld aufseufzte. »Du gibst wohl nie auf, was?«
      Der Fuß der Leiter fuhr mit einem ohrenbetäubenden metallischen Knirschen über das Pflaster, als der Fensterputzer sie aufstellte. Zwei Mädchen erschienen im Schaufenster der Kopierstube und sahen neugierig zu.
      »Worum geht's eigentlich, hä? Sind wohl Detektive und woll'n ihn auf frischer Tat ertappen, was? Genau wie in The Sweeney. Ähem -« er faßte Rosa am Arm »- mit den Absätzen woll'n Se doch wohl nich' da rauf, oder? Wenn Se sich die Knochen brechen, kommt meine Versicherung nich' dafür auf.«
      »Er hat recht. Sei nicht verrückt, Rosa.« Ihre tabakfarbenen Wildlederstiefel hatten zehn Zentimeter hohe Absätze. »Laß mich gehen.« Duffy trat auf die unterste Stufe der Leiter. »Und sobald wir von hier wegkommen, sollten wir uns nach einem Telefon umsehen, denn wir schaffen's auf keinen Fall, rechtzeitig zur Primrose Hill zu kommen.« Er begann die Leiter hinaufzuklettern.
      Rosa stand am Fuß der Leiter und sah ihm zu. Er kletterte vorsichtig und langsam weiter, wobei seine behandschuhte Hand das glänzende Aluminium umfaßte. Zunächst sah sie die abgewetzten Fersen seiner Schuhe, dann die Sohlen, die ein so tiefes Profil hatten, daß es schien, als wären sie mit Stückchen von Blockschokolade übersät. In den Einkerbungen steckten Schotter und größere Steine und Gras. Plötzlich blähte sich sein Parka im Wind auf. Er war auf halber Höhe angelangt.
      Rosa war vollkommen überzeugt, daß sich Fenn in dem Zimmer versteckt hielt. Sie stellte sich vor, daß er hinter einem Stuhl hockte oder sich unter seinem Bett verkrochen hatte. Durch klamme Lippen sagte sie

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