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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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gegen die Scheibe: seine Nase wirkte breit und platt wie die eines Negers, seine wulstigen Lippen verzerrten sich zu einem Clownslächeln. Lautlos formte sie die Wörter: »Geh weg!« Sie bekam keinen Laut heraus. Er zuckte übertrieben mit den Achseln und ging in die Mitte des Platzes. Dort breitete er seine Arme aus und adressierte die Wand: »Geh weg? Sie will, daß ich abhau'!«
      Sie nutzte seine Abwesenheit, um die Wagentür aufzureißen und über den Hof zu rennen. Seine Stimme verfolgte sie.
      »Verflucht noch mal, du blockierst die verdammte Ausfahrt, Süße. Wie zum Teufel soll ich meinen Wagen durch so'n Nadelöhr kriegen?«
      Sie hatte sich in dem Imbiß in Sicherheit gebracht. Obwohl Duffy sich darüber wunderte, mit welcher Geschwindigkeit sie durch die Tür geschossen kam, sagte er kein Wort. Der Imbiß war leer, und zwar nicht, als wäre in den Räumen noch vor kurzem ein reges Treiben gewesen, sondern wirklich leer. Die Geräte waren ordentlich geputzt, und leuchtende Fantaflaschen standen in säuberlichen Dreiergruppen unberührt auf den Regalen. Ein weiteres griechisches Plakat, diesmal von einem Bazuki-Konzert, und ein Videospiel. Hinter der Bar hing ein Vorhang aus regungslos herabhängenden, bunten Plastikstreifen.
      »Ich hab' ohne Erfolg auf die Theke gehämmert.«
      »Offensichtlich haben sie noch nicht geöffnet. Ich frage mich allerdings, wieso die Tür dann nicht abgeschlossen ist.«
      Duffy klopfte mit den Fingerknöcheln laut auf die Theke. Von oben kam ein schepperndes Geräusch. Rosa faßte ihn am Arm.
      »Das kommt aus dem Zimmer! Aus dem Zimmer, das wir von außen gesehen haben.«
      »Nicht unbedingt. Es ist nicht immer einfach, Geräusche zu lokalisieren. Übrigens - was wäre, wenn du recht hättest?« Darauf konnte sie nicht antworten. Darauf wagte sie nicht zu antworten. »Wahrscheinlich ist es Mr____«, er sah auf das Namensschild oberhalb der
      Plastikpalmen, »Mr. Christoforou.«
      Christoforou. Der Name erinnerte sie an etwas. An einen Film. Sie saß in einem Kino - es war das Hampstead Everyman gewesen - auf der Leinwand war der verlängerte Schatten eines gebückten Mannes zu sehen; eine vernarbte weiße Glatze, Schlangenaugen und bleiche Finger, die schleichende Bewegungen machten und mit langen, gekrümmten Krallen ausgestattet waren, die bereit waren, zuzuschlagen. Der Vampir Nosferatu.
      »Ich hab' von diesem Ort genug. Laß uns gehen. Jetzt weiß ich, daß es hier ist. Wir können morgen wiederkommen.«
      Doch in dem Moment teilte sich der Plastikvorhang mit einem schnellen, raschelnden Geräusch, und der Grieche, Mr. Christoforou, betrat den Raum. Er wirkte verschlafen (er stopfte sich gerade das Hemd in die Hose) und mißmutig.
      »Was zum Teufel wollen Sie von mir?«
      »Es tut mir leid, aber die Tür war offen.«
      »Das ist für den Videospielmann. Kommt reparieren. Sie sehen doch, daß der Laden geschlossen ist.«
      »Es ist sehr wichtig. Wir suchen nach einem jungen -«
      Rosa unterbrach ihn mit einer Entschlossenheit, die bewies, daß ihre Vermutung in Gewißheit umgeschlagen war. »Ist Fenn hier?«
      Sie bemerkte Duffys Erstaunen. Mr. Christoforou erwiderte: »Nein. Hab' ihn seit Tagen nich' mehr gesehen.«
      Das war's also. Rosa und Duffy faßten sich an den Händen. Sie fühlten sich wie Schwimmer, die jetzt, nachdem sie sich stundenlang in einem ihnen unbekannten Meer abgequält hatten, festen Boden unter den Füßen spürten.
      Für einen Moment wußte keiner von beiden, was er sagen sollte. Dann fing Rosa an zu reden. Ihre neugewonnene Sicherheit hatte ihr völlig die Angst genommen.
      »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir nach oben gingen und nachsehen würden?«
      Mr. Christoforou zögerte einen Moment, als rührten ihn die Intensität ihrer Bitte und ihre unterdrückte Erregung, zuckte dann aber mit den Schultern und ließ sie hinter die Theke kommen. »Sie vergeuden Ihre Zeit. Ha'm mich für nix und wieder nix aus'm Bett geholt.« Er verschwand durch eine Tür in die Eingangshalle und rief ihnen über die Schulter zu. »Rechte Tür oben an Treppe.«
      Sie gingen die Treppe hinauf und standen vor der Tür. Rosa hielt Duffy zurück, als er an die Tür klopfen wollte. »Nein. Laß mich das machen.« Sie wartete einen Moment. Mit dem Vergehen der Angst hatte sich ein Gefühl freudiger Erwartung eingestellt, das an Triumph grenzte. Lächerliche und kindische Phrasen schossen ihr

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