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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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abtei-lung, glasierte Pasteten in jeder erdenklichen Form (aus einigen staken kleine Füßchen hervor) und die Charcuterie. Tee und Kaffee waren in graubraune Büchsen gefüllt, die aussahen, als wären sie hier, seitdem das Geschäft eröffnet worden war. Obwohl es geschäftig zuging, herrschte keine Eile. Ein Mann in einem Cutaway fragte Fenn, ob er ihm behilflich sein könne, und nachdem seine Anfrage ablehnend beschieden worden war, zog er sich mit einer Geste des Willkommens zurück, als wolle er Fenn bedeuten, daß er sich bei Fortnum's wie zuhause fühlen solle und der Gast sei, den sie schon lange erwartet hätten.
      Fenn ging einige Stufen hinauf und fand sich in einer Patisserie wieder. Reihen von federleichtem Gebäck wurden dargeboten; Zuckerwatte, Karamel und frische Sahne. Eine Frau in einem hellen Nerzmantel wies mit dem Finger auf verschiedene Auslagen, und die Verkäuferin hantierte so geschickt mit ihrer silbernen Gebäckzange, daß die Dekoration weder zerstört noch aus der Form gebracht wurde. Sie legte das Gebäck so ehrfurchtsvoll in eine Kuchenschachtel, als handele es sich um die Kronjuwelen. Der Mops der Frau, dessen gestreifte Fettwülste aus dem Halsband hervorquollen, schob seine ledrige Unterlippe vor und knurrte Fenn an.
      Er begab sich in den zweiten Stock. Hier roch es anders. Offenkundig weiblich, fast wollüstig. Make-up, Kleider, Accessoires. Reine Seide und echte Spitze; Alligatorhandtaschen und französisches Parfüm. Er berührte ein Nachthemd und ein Neglige - glitzernde Wasserfälle aus reiner, weißer Seide. Er stellte sich die Frau vor, die diese Nachtgewänder tragen-würde: eine schlanke Frau mit hohen, kleinen Brüsten und einer Haut, die immer leicht golden schimmerte. Sie hätte langes, gewelltes Haar, das, kunstvoll getönt und mit Strähnchen versehen, über ihre samtigen, jugendlichen Schultern fallen würde. Er ging hinüber zur Parfumabteilung.
      Hinterher, als er darüber nachdachte, konnte er kaum fassen, was er getan hatte. Auf jeden Fall hatte er es in dem Moment nicht vorgehabt. Hinter der Theke stand eine Verkäuferin, die sich mit großer Ernsthaftigkeit über eine ältere Dame gebeugt hatte und abwechselnd an deren sommersprossigen Handgelenken roch. Fenns Hand schloß sich über einem zellophanverpackten Kästchen, er sah sich um, ließ die Hand sinken und ging weiter.
      Diesmal hatte er keine Angst. Er wußte, daß ihm nichts passieren konnte. Er fühlte sich so sicher, daß er nicht einmal versuchte, diesen Stock zu verlassen, sondern sich mit dem Kästchen in der Tasche langsam auf den Weg zum Erdgeschoß machte. Hinter ihm waren das Klappern von Besteck und lautes Stimmengewirr zu hören. Er wandte sich um und ging auf den Eingang der Kaufhausbar zu. Die Tische waren besetzt, aber an der Bar waren noch ein oder zwei Plätze frei.
      Plötzlich überkam ihn der unwiderstehliche Drang, dort zu sitzen; berechtigterweise zu der Menge zu gehören, die bei Fortnum's einkaufte oder sich dort die Zeit vertrieb. Er hatte vier Pfund und etwas Kleingeld, und das mußte bis Dienstag reichen. Es war verrückt, auch nur einen Teil davon für etwas so Banales wie einen Kaffee auszugeben. Er bahnte sich einen Weg durch den dichtgedrängten Raum, wich den Päckchen und Taschen aus, die neben den Tischen der Wohlhabenden lagen, bis er einen der Barhocker erreicht hatte. Er war schockiert, als er in den Spiegel sah. In seiner neuen Kleidung fühlte er sich bereits so wohl, daß er sich ihrer nicht mehr bewußt war.
      Das Mädchen hinter der Theke, das einen Wuschelkopf hatte und eine Nelke im Knopfloch ihres Overalls trug, lächelte ihn an.
      »Ich hätte gern die Speisekarte.« Plötzlich kam er sich albern vor. Da sie kaum Menüs führten, war es dumm gewesen, sie nach einer Speisekarte zu fragen. Vielleicht hätte er eher um die Getränkekarte bitten sollen.
      Aber sie lächelte ihn wieder an und sagte: »Aber sicher, mein Herr.« Dann reichte sie ihm eine große Karte.
      Er schlug sie nicht sofort auf, sondern beobachtete im Spiegel das Restaurantpublikum. Es schienen schrecklich viele Kinder da zu sein, die sich mit Genuß über den Kuchen und das Eis hermachten. Einige trugen Schuluniformen, andere Jeans und Sweatshirts in leuchtenden Farben. Ein Kind hatte eine Baseballkappe und einen Fingerhandschuh bei sich, ein anderes trug ein Mickey-Maus-T-Shirt und eine große behaarte Horrorhand aus gummiähnlichem Material, von deren Fingernägeln

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