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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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Einrichtung aus einem abgeschabten braunen Teppichboden, einem schäbigen grauen Aktenschrank, zwei einfachen Schreibtischen, Stapeln von Nachschlagewerken und einem Pinnbrett mit Urlaubskarten und Notizzetteln. Alles in allem ein ganz gewöhnliches Büro.
      An der Wand hing eine riesige Vergrößerung von Rosa (es war allerdings nicht das Photo, das er zu Hause hatte). Sie sah schön aus. Der Wind hatte ihr eine Haarsträhne über den Mund geblasen. Mit einem Mikrofon in der Hand beugte sie sich vor, um mit einem Kind zu reden. Sie lächelte, und das Kind lachte zurück. Irgendjemand hatte auf dem Photo unterihrem Mund einen gelockten Faschingsbart angebracht.
      »Sollten Sie den nicht abnehmen .. .bevor sie am Montag zur Arbeit kommt?«
      »Oh, der hängt schon ewig da. Duffy aus der Redaktion hat ihn drangemacht. Als ich ihn abnehmen wollte, hat sie gemeint, ich sollte ihn hängenlassen. Sie hält es für eine Verschönerung.«
      Beide blieben stehen und starrten, durch ihren gemeinsamen, doch unterschiedlich motivierten Groll kurzfristig vereint, das Photo an. Sonia fragte sich, wie eine Frau um ihr Aussehen so unbekümmert sein konnte, daß sie einen schwarzen Bart witzig fand, und Fenn begann zu zweifeln, ob es nicht doch Rosa gewesen war, die Sonia aufgefordert hatte, den Brief an ihn zu schreiben.
      »Kümmern Sie sich auch um die Hörerpost?«
      »In Gottes Namen, ja. Bei den ausgefallenen Briefen macht sie sich natürlich die Mühe, selbst zu antworten, aber die meisten gibt sie einfach an mich weiter. Dieses ganze Mitgefühl, das in der Sendung vermittelt wird ... wenn man hier arbeitet, lernt man, es nicht allzu wörtlich zu nehmen.«
      Fenn hatte nichts anderes erwartet. Man müßte schon ein Trottel sein, um diese Versager, Aussteiger und Nichtsnutze ernstzunehmen. Aber jetzt hatte er gehört, was er wissen wollte. Sonia hatte den Brief auf eigene Faust losgeschickt. Rosa wußte nicht einmal, daß er geschrieben hatte. Beim nächsten Mal würde er sie direkter ansprechen müssen. Wenn Sonia mit dem Ganzen so vertraut war, wie sie andeutete, müßte Rosa in ihrem Adreßbuch stehen.
      »Jetzt zufrieden?« Mit geneigtem Kopf sah sie ihn schelmisch an. Um alles in der Welt, dachte er, wie ein verdammter Wellensittich.
      »Na ja ... um ehrlich zu sein, ich find's ein bißchen enttäuschend. Eigentlich hab' ich was Vornehmeres erwartet.«
      »Bei den Medien ist es wohl immer ein Fehler, hinter die Kulisse zu sehen.« Sonia klang herablassend, denn sie befanden sich auf ihrem Terrain. »Bei Film und Fernsehen ist es genau dasselbe. Die Orte, an denen wirklich gearbeitet wird, sind meist ziemlich erbärmlich.«
      »Da haben Sie sicher recht.« Als ihm plötzlich wieder sein angeblicher Beruf einfiel, setzte er hinzu: »Beim Theater ist es genauso. Hinter den Kulissen geht's ziemlich erbärmlich zu.«
      Als sie zur Tür gingen, faßte er sie am Arm. »Sonia - ich weiß, es ist Samstag, und Sie haben sicherlich etwas vor... und ich weiß, es kommt ziemlich kurzfristig, aber...« Den Rest des Satzes stieß er unbeholfen hervor: »Ich frage mich, ob ich Sie zum Abendessen einladen dürfte.«
      Sie wandte sich ab. Ihr schnürte sich der Hals zusammen, und sie wurde rot. Sie mußte sich beherrschen, nicht zu schnell einzuwilligen. Schließlich wurde man danach beurteilt, wie man sich gab. Sie wollte ihm gegenüber nicht den Eindruck erwecken, als habe sie nichts geplant. Andererseits bestand natürlich die Gefahr, daß er sie nicht noch einmal fragen würde, wenn sie jetzt zögerte oder, was noch riskanter wäre, dankend ablehnte.
      »Na ja ...« Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. »Es ist ein bißchen kompliziert...« Ohne es zu bemerken, hatte sie die Hände zu einer Faust geballt. Fenn beobachtete, wie die Knöchel hervortraten. »Es handelt sich um eine längerfristige Verabredung ...«
      Fenn wußte, daß sie die imaginäre Verabredung wahrscheinlich absagen würde, wenn er noch ein wenig wartete. Andererseits war ihr das Schweigen offensichtlich unangenehm.
      »Könnten Sie nicht absagen? Ihn anrufen? Erfinden Sie doch irgendeine Ausrede.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Bitte.«
      »Sie machen's mir wirklich schwer. Er wird nicht gerade erfreut sein, aber...« Sie breitete die Arme aus, um anzudeuten, daß er sie überredet hatte. »... einverstanden.«
      »Großartig! Schreiben Sie mir Ihre Adresse auf. Ich werde Sie gegen halb acht

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