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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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zitternden Händen dem Salat zuwandte, ließ Leo die Küchentür krachend ins Schloß fallen. Beim Abendessen wechselten sie kaum ein Wort. Gewöhnlich erzählte er, was ihm am Tag zugestoßen war, machte eine Bemerkung über das Essen, erkundigte sich nach ihrer Arbeit, und sonst unterhielten sie sich über die Kinder. Als sie sich heute abend nach Guys Hausarbeiten erkundigte, erwiderte er kurzangebunden: »Biologie. Damit hat er nie Schwierigkeiten«, und fuhr fort zu essen.
      Schweigend aßen sie das Huhn und den Naturreis. Zum Nachtisch hatte Rosa beim Griechen etwas türkischen Honig geholt. Normalerweise schmeckte er ihr ganz vorzüglich, doch heute kam ihr die Mischung aus Nüssen und Honig so widerlich vor, daß sie das meiste auf ihrem Teller liegenließ. Ihre Streiterei schien Leo nicht sonderlich aufzuregen, zumindest kam es ihr so vor, als sie beobachtete, wie er seinen Nachtisch verputzte und sich eine zweite Tasse Kaffee einschenkte. Sie hatte nicht gewußt, daß er dermaßen gefühllos sein konnte. In Gedanken kehrte sie zum Mittagessen im Gay Hussar und zu Duffys Reaktion auf ihren Anruf zurück. Sie schien ihn wieder über den Tisch hinweg anzusehen, wie er mit erhobenen Händen dasaß und lächelte und sie auch ohne Worte verstand. Diesmal schob sie das Bild nicht beiseite.
     
    Fenn stand an der Kreuzung von Southhampton Row und Great Ormond Street. Es herrschte reger Verkehr, und die vorbeifahrenden Autos wirbelten das schmutzige Wasser aus dem Rinnstein auf. Nur langsam sickerte es ab, und der Himmel hing immer noch voll dicker Regenwolken, wirkte wie eine graue, mit Wasser vollgesogene Decke. Er beobachtete sich im Schaufenster eines Herrenausstatters. Er hatte eine flache schwarze Kappe mit einem Plastikschirm auf und sich einen kleinen, blonden Schnurrbart angeklebt. In der Hand trug er Mr. Christoforous Werkzeugtasche. Gelegentlich blickte er zum Eingang von City Radio hinüber. Langsam wurde es Zeit. Er hatte gerade begonnen, sich Sorgen zu machen, als er Sonia herauskommen sah. Schnell trat er in die Schaufensterpassage zurück. Er beobachtete, wie sie in Richtung der vereinbarten U-Bahn-Station davonging. Sie trug eine schwere Einkaufstasche und eine Plastiktüte von Victoria Wine. Gut. Wenn er sie schließlich abholen würde, könnte er also mit einem üppigen Essen und ein oder zwei Gläsern Wein rechnen. Er freute sich schon darauf.
      Es bestand kein Grund, noch länger zu warten. Er schloß sich der triefenden, übelgelaunten Menge an, die an der Fußgängerampel wartete, und überquerte schließlich die Straße. Als er sich der Drehtür näherte, bemühte er sich, das Gefühl von Verantwortung und Selbstsicherheit wiederherzustellen, das ihn bei der Planung so überwältigt hatte. Er spürte, daß ihm nichts passieren konnte, wartete aber dennoch auf einen Schicksalswink, der ihm bedeutete, daß das Glück auf seiner Seite war. Durch die Tür konnte er die großen Palmwedel, den polierten Schreibtisch aus Glas und Messing und den dichten, dunklen Teppich sehen. Er zwang sich weiterzugehen. Jetzt anzuhalten, wäre fatal. Die Treppe hinauf. Über den Teppich.
      Das Mädchen an der Rezeption war jung und sehr hübsch. Er konnte nicht umhin, sie mit Sonia zu vergleichen. Wären die Umstände anders gewesen ... Sie hatte sich sehr einfallsreich geschminkt, und das blonde Haar fiel ihr in Hunderten von kleinen, mit Perlen oder Glitter-staub verzierten Zöpfen auf die Schultern. Sie hatte Ähnlichkeit mit einem Engel.
      »Als er an ihr vorbeiging, sagte er: »Klempner... Herrentoilette im Keller...«
      Sie erhob sich und setzte an, sich weiter zu erkundigen: »Einen Moment -«
      »Schon in Ordnung. Ich weiß Bescheid. War schon öfter hier.«
      Dennoch kam sie hinter ihrem Schreibtisch hervor und ging auf ihn zu. Und da bekam er den Wink, auf den er gewartet hatte. Ein großer, wichtigtuerischer Mann in einer Kamelhaarjacke kam durch die Drehtür und rief:
      »Louise? Was machst du denn hier?«
      »Ich warte auf Felicity, Mr. Winthrop. Ich vertrete sie hier, während sie ihren Mantel holt.«
      »Ist Val Berry schon da?«
      »Ich werd' für Sie nachsehen.« Das Mädchen beugte sich mit schwingenden Zöpfen über das Buch auf dem Schreibtisch.
      Zu dem Zeitpunkt war Fenn bereits durch die zweite Tür auf den Flur gelangt. Er wußte, daß sich das Mädchen nicht mehr danach erkundigen würde, ob irgend jemand einen Klempner bestellt hatte. Ebenso wie er

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