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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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Bewußtsein gekommen.
      Um ihr Glücksempfinden zu steigern, rief sie sich manchmal die Abende vor ihrer Bekanntschaft ins Gedächtnis, erinnerte sie sich daran, wie trist sie gewesen waren. Ein Ei oder eine Fleischpastete, die sie nicht vor halb neun gegessen hatte, um sich den Abend aufzuteilen. Um sich die Zeit zu vertreiben, hatte sie ferngesehen und Unterwäsche gewaschen, die noch gar nicht schmutzig war. Und die langen staubigen Sommerabende, an denen sie vor dem Schlafengehen lange Spaziergänge gemacht hatte, wobei sie die Augen von den im Park liegenden Paaren und den Gruppen junger Menschen abwandte, die im letzten Sonnenlicht lachend und trinkend vor den Kneipen saßen.
      Sie tranken einen Rioja - den Wein des Monats, wie ihr der Verkäufer versichert hatte -, und er war tatsächlich köstlich. »Fruchtig« war das Adjektiv, mit dem er ihn bezeichnet hatte.
      »Nicht so fruchtig wie du, Liebling«, meinte Fenn, bevor er mit dem begann, was er seine kleinen Tricks nannte. Wie gewöhnlich trank er sehr wenig, eins auf ihre vier Gläser. Als sie sich gehorsam dem schmalen Einzelbett zuwandte, nahm er ihre Hand und führte sie zu einem der harten Eßzimmerstühle.
      »Komm' schon ... nein, setz' dich nicht, Dummerchen ... hier... so...«
      Er sah ihr in die Augen und bewegte sich schnell. Sie stieß einen kleinen Schrei aus, der sich bei angehaltenem Atem in die Höhe schraubte. »Entschuldige, ich muß mir unbedingt die Fingernägel schneiden.«
      Doch erhörte nicht auf. Ihre Augen verdunkelten sich. Träumereien, die von etwas anderem überlagert wurden, von einem schwermütigen Verlangen, dem sich dunkle Befürchtungen und beginnende Angst gesellten. Das steigerte seine Lust ungeheuerlich, war fast ein Ausgleich für ihr mangelndes Entgegenkommen. Dann, in einem kurzen Moment der Nüchternheit, erkannte er, daß ihn gerade ihr fehlendes Entgegenkommen stimulierte.
      Mein Gott - so war es besser -, es war erstaunlich, daß die Rückenlehne nicht brach. Was die Leute unter ihnen denken mußten. Entzückt lachte er in ihr verwirrtes Gesicht und änderte ihre Position für seinen letzten Stoß.
     
    Louise saß in Rosas Büro und trank einen Filterkaffee. Sie war zu Rosa gekommen, um mit ihr ihre Zukunft zu besprechen. Man hatte ihr einen Kurs angeboten, der ihr, sollte sie ihn erfolgreich abschließen, die Beförderung zur Regieassistentin ermöglichte, und sie glaubte, ein Gespräch würde ihr helfen, ihre Gedanken zu klären. Da es ihr Spaß machte, im Kontrollraum zu arbeiten, war sie sich nicht sicher, ob sie die Stelle wechseln sollte. Doch ihr Gespräch wurde abrupt unterbrochen, als Sonia sprudelnd vor Begeisterung hereinkam und die Ausgabe der Sun, die sie in der Hand hielt, wie ein Apportierhund seinen Stock vor Rosa auf den Tisch legte.
      Tobys Pressekonferenz war ziemlich enttäuschend verlaufen, denn die anspruchsvolleren Zeitungen hatten sich entweder gar nicht erst blicken lassen oder seinen sensationellen Enthüllungen nur einen kurzen Abschnitt auf der letzten Seite gewidmet. Doch die Boulevardzeitungen waren ein wenig entgegenkommender, und so stand hier über einem Pressephoto von Rosa die düstere, in schwarzen Lettern gedruckte Schlagzeile: RUNDFUNKSTAR MIT MORD BEDROHT. Der Artikel darunter brachte nichts, was sie nicht schon wußten, war aber mit dunklen Andeutungen geladen.
      Louise sagte: »Ich glaube, Toby macht einen Fehler. Er fordert die Exhibitionisten geradezu heraus, wenn er sich an die Zeitungen wendet.«
      »Das ist ja gerade seine Absicht. Gut für die Einschaltquoten.«
      Louise verzog das Gesicht: »Nicht gerade angenehm für dich. Und auf jeden Fall hat er ihnen absichtlich falsche Informationen gegeben. Es klingt, als wärst du persönlich bedroht worden.«
      »Oh, das ist einer der Vorteile, die dieser Job mit sich bringt, wußtest du das nicht? Man kann sich seinen eigenen kleinen Irren halten.« Rosa war wütend, weil Sonia die Sun mitgebracht hatte. Heute hatte sie sich besser gefühlt: gut gelaunt und ziemlich zuversichtlich. Die Zeitung hatte sie zurückgeworfen.
      Zwischen Rosas Büro und dem Flur lag ein kleiner Raum. Darin standen drei Regale mit selten benutzten Akten, ein Drehstuhl und ein ziemlich großes Kunststoffregal, das zur Not auch als Schreibtisch dienen konnte. Sonia zog sich immer demonstrativ in diesen Raum zurück, wenn Louise oder Duffy ins Büro kamen, um mit Rosa zu reden. Jetzt wählte sie diese

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