Der Neid eines Fremden
ein schlankes Glas aus dem Schrank holte, fügte sie hinzu: »Und ein bißchen Mineralwasser. Ich hab' zum Mittagessen ziemlich viel Wein getrunken.«
»Tatsächlich?« Leo stellte das Glas zurück und griff nach einem Cognacschwenker. »Das sieht dir gar nicht ähnlich.«
»Ich bin im Gay Hussar gewesen.«
»Das wird ja immer merkwürdiger.«
»Im Kühlschrank stehen eine angebrochene Flasche Whisky und etwas Wasser.«
Leo füllte den Schwenker halb mit Wein, öffnete eine kleine Flasche Perrier, spritzte den Wein und brachte das Glas und den Rest des Mineralwassers hinüber zur Anrichte, an der Rosa gerade den Salat zubereitete. Er schenkte sich einen großen irischen Whisky ein, dem er ein wenig Wasser beimischte.
»Und wer hat dich dorthin entführt?«
Rosa sträubte sich innerlich gegen seine Vermutung, daß sie weder allein in den Gay Hussar gegangen war, noch mit einigen Freunden zu Mittag gegessen hatte, ohne eingeladen zu sein. Ihr Unwille wurde noch größer, als Leo ihre Antwort nicht einmal abwartete.
»Tut mir leid, daß ich so spät bin. Ich hab' versucht, dich anzurufen, aber das Telefon scheint nicht in Ordnung zu sein. Ich sollte es gleich dem Stördienst melden.«
»Oh -« Plötzlich schien der ganze Vorfall wieder auf sie einzustürzen. Sie hatte vorgehabt, ihm später am Abend von dem Anruf zu erzählen, wenn die Kinder zu Bett waren. »Ich fürchte, das ist meine Schuld.«
»Was?«
»Ich habe einen unangenehmen Anruf bekommen. Der Mann, von dem ich dir erzählt habe, hat sich hier gemeldet. Ich weiß nicht, wie er die Nummer herausgefunden hat. Deshalb bin ich zum Fernmeldeamt gegangen, um sie ändern zu lassen.«
Leo starrte sie an. »Einer meiner Privatpatienten ist in einem sehr kritischen Zustand. Ich kann jederzeit ins Krankenhaus zurückgerufen werden. Vielleicht sogar mitten in der Nacht. Und da erzählst du mir, daß man mich nicht erreichen kann, weil du das Telefon abstellen lassen hast?«
»Ich hab' gedacht, es wäre dir angenehm.«
»Angenehm? Natürlich ist es mir nicht angenehm.«
»Ich meine, daß ich nicht mehr von solchen Anrufen bekomme.«
»Wenn er noch mal versucht hätte, dich anzurufen, hättest du nur den Hörer auflegen müssen. Davon hätte er sehr schnell die Nase vollgehabt. Statt dessen mußt du alles durcheinanderbringen - wir werden die Nummer wieder an alle anderen Leute weitergeben müssen -«
»Nicht an alle. Ich hab' mir gedacht, wir sollten vorsichtig sein, bis er geschnappt ist.« Ihre Stimme bebte vor Wut. »Um deine Privatpatienten scheinst du dir mehr Sorgen zu machen als um mich. Was ist denn mit deinen armen Kassenpatienten? Bekommen die deine geneigte Aufmerksamkeit ebenfalls zu spüren?«
»Es besteht kein Grund, sich über meine Privatpatienten lustig zu machen. Immerhin haben sie uns lange den Kohl fett gemacht, wie du weißt.« Leo unterbrach sich und sagte dann, offensichtlich in dem Bemühen, die Spannung abzumildern: »Was hat er denn eigentlich gesagt - dieser Kerl?«
»... Hallo Rosa ...«
»Na ja, das klingt ja nicht allzu bedrohlich.« Leo lächelte.
Mein Gott, wie überheblich er ist, dachte Rosa. Wieso ist mir das früher nie aufgefallen? »Dann hat er irgend etwas über einen Dienst an der Menschheit erzählt..., daß man die Dinge in Ordnung bringen müßte... oder etwas Ähnliches ...«
»Hat er dich nicht bedroht?«
»Ich glaube nicht. Ich habe versucht, nicht hinzuhören.«
»Ich hab' immer gedacht, die wirksamste Art, nicht hinzuhören, wäre, den Hörer aufzulegen.«
»Sicher.« Wie sollte sie ihm die Lähmung erklären, die ihren ganzen Körper erfaßt hatte? Ebenso wie Leo kam sie sich selbst jetzt dumm und schwach vor.
»Kann man noch von hier aus anrufen?«
»Ja.«
»Das ist ja schon mal was. Ich werde im Krankenhaus anrufen und erklären, was passiert ist. Und dann werd' ich das Fernmeldeamt bitten, jeden Notruf durchzustellen. Haben sie dir gesagt, wie lange es dauern wird, bis wir die neue Nummer bekommen?«
»Nein.«
»Das ist ja herrlich. Ich hoffe, du bist dir darüber im klaren, daß er durchaus in der Lage sein wird, sich die neue Nummer zu besorgen, wenn er die alte schon herausgefunden hat.«
»Ja, Leo, der Gedanke ist mir auch schon gekommen, aber trotzdem vielen Dank, daß du mich daraufhingewiesen hast. Das hebt wirklich meine Laune.«
Als sich Rosa wieder mit
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