Der Neid eines Fremden
Rückzugsmöglichkeit und zog die Tür fest hinter sich zu. Rosa öffnete sie mit derselben Bestimmtheit und ließ sie einen Spalt breit offenstehen. Ihr mißfiel die unausgesprochene Annahme, sie und Louise könnten ein Gespräch führen, das nicht mitgehört werden sollte; vielleicht ein Gespräch, in dem unfreundliche Bemerkungen über ihre Sekretärin fielen.
»Morgen wird die Zeitung den Imbissen nur noch als Einwickelpapier dienen, Rosa. Noch ein paar Tage, und sie ist wieder da, wo sie hingehört. In der Gosse.«
»Nicht wenn Toby seinen Willen durchsetzen kann.« Rosa gab ihrer Abneigung Ausdruck. »Er versucht, das Ganze groß aufzuziehen. Wird er oder wird er nicht, weißt du? Schlendert sein zukünftiges Opfer jetzt noch selig durch Londons Straßen, nicht ahnend, daß sein Leben schon bald ein mörderisches Ende nehmen wird? Bei dem Gedanken daran wird mir übel.«
»Es muß natürlich eine Frau sein.«
»Natürlich. Wo bliebe die Spannung, wenn ein Mann einen anderen Mann umbringen würde?« Rosa knüllte die Zeitung zusammen und stopfte sie wütend in den Papierkorb. »Diese blöde Kuh. Entschuldige, Lou - wir wollten eigentlich über deinen Job reden.«
Louise öffnete ihre Tasche. »Das ist schon in Ordnung. Ich glaube, ich habe mich bereits entschieden. Man sagt immer, man bräuchte einen Rat, und dann tut man doch, was man schon die ganze Zeit vorgehabt hat, oder?« Sie zog zwei der bekannten Riegel aus ihrer Tasche. »Willst du ein Mars?«
»Nein danke.« Rosa brachte es nicht über sich, zur üblichen Routine zurückzukehren. »Es sind nur noch zehn Minuten bis zum Mittagessen.« Dann fügte sie impulsiv hinzu:
»Duffy hat mich gestern in den Gay Hussar eingeladen.«
»Das war also der Grund.«
»Hat er denn darüber gesprochen?« Rosa war enttäuscht, unbegründet, wie sie wußte.
»Nein. Aber ich hab' ihn um halb sechs gesehen, und da hat er wie eine vornehme Katze ausgesehen, die mindestens ein halbes Dutzend Kanarienvögel, gefolgt von Schlagsahne, verschlungen hat.«
»Er... er scheint mich sehr zu mögen.«
»Das erzähl' ich dir schon seit ewigen Zeiten.«
»Ich weiß, aber ich hab' immer gedacht, es wäre nur ein Spiel. Eine Art Witz. Ich nehme an, es hat mir gepaßt, das zu glauben. Schließlich hat das Ganze doch keinen Zweck, oder? Und ich möchte ihn nicht unglücklich machen.«
Louise sagte: »Um Duffy würde ich mir keine Sorgen machen. Männer sind sehr gut darin, vor allem an sich selbst zu denken.«
Sonia betrat den Raum und holte ihren Mantel hinter der Tür hervor. »Ich mache jetzt Mittag, Mrs. Gilmour. Bin um Punkt zwei zurück.«
Das sagte sie immer. Rosa konnte sich nicht entscheiden, ob es eine Zusicherung oder eine Ermahnung sein sollte. Als die Tür ins Schloß gefallen war, sagte sie zu Louise: »Sonia hat einen Freund, der ihr Joy schenkt.«
»Wow! Selbst in meinen besten Tagen bin ich nie über Rive Gauche hinausgekommen.«
»Da sieht man's mal wieder. Es gibt offensichtlich ungeahnte Möglichkeiten.«
»Vollkommen verschüttete, würde ich sagen.«
»Hör auf damit. Ich will nichts Unfreundliches über Sonia sagen. Das hab' ich mir geschworen.«
»Nun, das hab' ich nicht getan. Sie muß es wert sein -« Louise sprach mit vollem Mund. »Vielleicht geht sie ja auf den Strich.«
Die Vorstellung, daß Sonia auf den Strich gehen könnte, war so komisch, daß sie beide losprusteten. Louise fuhr fort: »Gehst du jetzt nach Hause, um zu arbeiten?«
»Nein, ich glaube nicht.« Noch vor kurzer Zeit hätte sich Rosa nicht vorstellen können, lieber in ihrem Büro zu bleiben, als nach Hause zu gehen. »Ich muß noch eine Menge Post erledigen.«
Louise stand auf. »Wie kommst du mit Michael Kelly voran?«
»Schlecht.« Sie zog den Kassettenrecorder zu sich heran. »Das ist ja merkwürdig.«
»Was ist merkwürdig?« Louise hielt an der Tür inne.
»Bevor ich neulich nach Hause gegangen bin, habe ich eine neue Kassette eingelegt, und irgend jemand hat sie benutzt.«
»Vielleicht hat dir Toby eine Nachricht hinterlassen.«
»Er hinterläßt meist eine kurze Notiz. Oder schickt eine seiner Tippsen. Wie seltsam!«
Louise kam zurück und setzte sich. »Dann mal los, spiel's ab!«
Als sich Rosa noch immer nicht bewegte, reichte Louise zum Kassettenrecorder hinüber, betätigte erst den Rücklauf und dann den Startknopf.
»Hallo
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