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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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entzogen wurde.
      Er stand schnell auf und griff nach der Stuhllehne, um sich abzustützen. Was für ein Narr er doch war! Auch wenn er sich allein im Haus aufhielt, hieß das noch lange nicht, daß er in Sicherheit war. Es war schließlich das Haus seiner Feindin. Fast rannte er aus dem Zimmer.
      Ein weiterer Treppenabsatz führte ihn von der Diele in ein zweites Badezimmer, eine Toilette und in die Küche. Er wollte sich ein wenig Wasser ins Gesicht spritzen und sich vielleicht einen Kaffee kochen, um wieder nüchtern zu werden. Da er eine blitzblanke Einbauküche und helles Licht erwartet hatte, überraschte ihn die gemütliche Atmosphäre. Ein großer roter Herd strahlte eine angenehme Wärme aus. Es roch nach Früchten und Kräutern. Sein Blick fiel auf eine Anrichte aus dunklem Holz, auf der hübsche Teller, Holzschüsseln und ein Steinguttopf mit Beerenfrüchten und Strohblumen standen. An den Innenseiten der beiden Türen hingen Kinderzeichnungen und ein Kalender mit riesigen weißen Quadraten, die über und über mit Notizen bekritzelt waren. Alles wirkte aufgeräumt und ordentlich, doch nicht in der angestrengten, nach Aufmerksamkeit heischenden Art der Küchen, die in Schaufenstern oder Zeitschriften zu sehen waren.
      Mit dem Hintergedanken an eine mögliche Rückkehr zu einem späteren Zeitpunkt sah er aus dem Fenster. Ein großer, von Mauern umgebener Garten grenzte an einen weiteren großen, von Mauern umgebenen Garten. Hier war nichts zu machen. Die rückwärtige Tür war von innen abgeschlossen, und die Fenster hatten eine Doppelverriegelung.
      Er hielt seinen Kopf unter den Kaltwasserhahn und drehte ihn ganz auf. Das war schon besser. Das eiskalte Wasser ließ die Wut wieder in seinen Körper schießen. Als er sich schließlich das Gesicht abgetrocknet hatte, war er wieder der wahre, rachedurstige Fenn. Er beschloß, sein Glück nicht auf die Probe zu stellen, indem er dablieb und sich einen Kaffee kochte.
      Neben der Kaffeemaschine rührte sich etwas. Erschrocken drehte er sich um. Eine Katze kam mit anmutigen Schritten in die Küche marschiert, machte einen Buckel und streckte sich. Um Himmels willen -er hatte zwar schon komische Sachen gesehen, aber das hier übertraf alles andere. Sie sah aus, als hätte sie zwei oder drei Miezen zur Mutter gehabt. Der Witz gefiel ihm, und er kicherte. Er ging in die Hocke und streckte seine Hand aus.
      »Komm, Mieze.« Dann, als er wieder über die Doppeldeutigkeit dieser Aufforderung gekichert hatte: »Hübsche Mieze ... komm hierher ... hierher, Mieze.«
     
     

* 6
     
    Duffy wartete auf Rosa, um mit ihr in die Kantine zu gehen. Sie hatten sich angewöhnt, gemeinsam zu Mittag zu essen. Rosa hatte sich immer noch nicht eingestanden, wie sehr sie sich auf dieses Zusammentreffen freute. Louise saß in dem niedrigen Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Sie hatten sich zu dritt darüber unterhalten, ob sie den auf die Qualifikation als Produktionsassistentin abzielenden Fortbildungskurs besuchen sollte, und jetzt hatte sie sich endgültig dafür entschieden. Heute war Louise verhältnismäßig unauffällig gekleidet. Sie trug einen Hosenrock aus feiner Wolle, eine pfauenblaue Samtweste und eine Jacke aus einem dunkelvioletten und hellgelben Patchwork-muster. Ins Haar hatte sie sich rote Bänder geflochten.
      Rosa fragte: »Kommst du mit zum Mittagessen?«
      »Nein. Ich bin dabei abzunehmen. Hab' heute erst ein Mars gegessen.«
      »Die werden noch pleite machen.« Duffy lächelte sie an. »Da du es jetzt in der Welt zu etwas bringen wirst, werden wir alle auf unsere Jobs aufpassen müssen.«
      Louise fragte Rosa, ob sich die Polizei noch einmal gemeldet habe, bedauerte es aber sogleich. Die Atmosphäre wurde merklich kühler. Rosa schüttelte den Kopf.
      »Nein. Sie haben's wohl aufgegeben. Obwohl ich fairerweise sagen muß, daß sie getan haben, was in ihren Kräften stand. Sie haben alle befragt, die Mädchen von der Rezeption ...«
      »Ich bin an" der Rezeption gewesen. Mich haben sie nicht gefragt.«
      »Stimmt das?« Duffy klang erstaunt.
      »Nur für fünf Minuten. Ich bin für Felicitas eingesprungen. Wir wollten zusammen in die neue Disco in der Frith Street gehen. Wild Horses. Ich wollte nicht den ganzen Weg allein zu mir nach Hause in Redbridge und wieder zurück gehen. Ich habe sie vertreten - während sie ihren Mantel geholt hat.«
      »Ist irgend jemand am Empfang gewesen, während du dort gesessen

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