Der Neid eines Fremden
werd' sie Ihnen nach dem Mittagessen geben.« Rosa wies auf die Briefe und brachte deutlich zum Ausdruck, daß Sonia entlassen war. Sonia ging zögernd zur Tür.
»... um einen Todesfall... nichts Persönliches ... ich bin nicht erschüttert ...«
Ihn im nachhinein nochmals zu hören, war äußerst quälend. Es war, als stehe er mit ihnen im Zimmer. Als blase er ihnen seinen fauligen Atem ins Gesicht. Rosa wandte ihr Gesicht vom Rekorder ab.
»... da er noch nicht eingetreten ist... sollte ich es jemandem erzählen ... hab' ich das etwa gesagt?... sehen Sie, ich muß jemanden umbringen...«
Sie sah Louise an, deren Gesicht sich im Bemühen um größtmögliche Konzentration verzerrt hatte. »... was ich Sie wissen lassen wollte ... da Sie davon betroffen sind ...«
Rosa hielt das Band an und Duffy sagte: »Und?«
Doch Louise kam nicht dazu, zu antworten. Von der Tür kam ein Geräusch. Sie drehten sich alle um. Sonia griff nach dem Türrahmen, um sich abzustützen. Die Fassungslosigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben. In ungläubigem Entsetzen hatte sie den Mund weit aufgerissen, die Mundwinkel wiesen nach unten, die Augen waren zu dunklen Höhlen geworden, und ihre Haut hatte die Farbe von Kalk. Bevor sie jemand erreichen konnte, war sie zu Boden gesunken.
Die Dinge entwickelten sich nicht planmäßig. Zunächst hatte er es für eine großartige Idee gehalten, die Katze mitzunehmen. In dem Augenblick hatte er nicht weiter nachgedacht. Er hatte einfach den Reißverschluß seiner Jacke über ihr zugezogen und sie auf der U-Bahn mit nach Hause genommen. Erst während der Fahrt war ihm aufgefallen, welchen Fang er da gemacht hatte. Es war nichts Geringeres als der verhätschelte Liebling der ganzen Familie. Wie köstlich würden der Kummer und die Angst sein, die aufkämen, sobald die Gilmours wüßten, in wessen liebevollen Händen sich das Tier befand. Zunächst könnte er ein paar Barthaare in ihren Briefkasten stecken, nur um ihnen zu beweisen, daß die Katze sie nicht mehr hatte.
Doch zurück im Oasis-Imbiß, war er, nachdem er den Ladenraum ungehindert passiert hatte, in der Eingangshalle in Schwierigkeiten gekommen. Er war mit Mrs. Christoforou zusammengestoßen. Als das verdammte Biest daraufhin anfing zu zappeln, hatte sie ihn am Arm gepackt und geschrien: »Was bringen Sie mir da ins Haus?« Dann hatte sie am Reißverschluß seiner Jacke gezogen. Die Katze befreite sich aus ihrem Gefängnis, fiel plump zu Boden und schoß zwischen ihren Beinen hindurch in die Nacht hinaus.
Als er später wutschnaubend in seinem Zimmer saß, dauerte es einige Zeit, bis ihm aufging, daß er zwar um das Verschwinden der Katze wußte, sie aber nicht ahnen konnte, daß sie ihm weggelaufen war. Er konnte sie immer noch in Angst und Sorge versetzen. Und sie würden ihm glauben müssen. Wie sollte er schließlich wissen können, daß die Katze verschwunden war, ohne daß er etwas damit zu tun gehabt hätte? Das würde ihre Schlußfolgerung sein. Obwohl ihm das nicht behagte. Es kündete von Unheil, daß die Katze weggelaufen war.
Dann war da noch Sonia. Vielmehr war sie eben nicht da. Er hatte stundenlang versucht, sie anzurufen, und keine Antwort bekommen. Das war nicht ihre Art. Gewöhnlich riß sie den Hörer von der Gabel und redete auf ihn ein, bevor er seinen Mund öffnen konnte. Er traute sich nicht, sie im Büro anzurufen. Immerhin bestand die Möglichkeit, daß die Person, mit der er sprach, seine Stimme erkennen und ihn bitten könnte, am Apparat zu bleiben, um den Anruf zurückzuverfolgen. Es war durchaus vorstellbar, daß es jetzt zwischen dem Studio und der Polizei eine Direktleitung gab.
»Wie ist die neue Putzhilfe?«
Rosa und Leo saßen zusammen auf der Chesterfieldcouch. Die Vorhänge schlossen die Winternacht aus, und sie hatten das Licht angemacht. Neben der Zentralheizung brannte ein gasgespeistes künstliches Kaminfeuer. Kathy lag im Bett, und Guy machte in der Küche seine Schularbeiten. Rosa hatte ihre Schuhe von sich geschleudert, die Beine übereinandergeschlagen und sich an Leos Schulter gelehnt.
Selbst als sie diese entspannte Haltung eingenommen hatte, war ihr bewußt gewesen, wie aufgeregt sie eigentlich war. Sie fühlte sich keineswegs entspannt und fragte sich, ob Leo, der die Füße auf das Fußbänkchen gelegt und sich behaglich zurückgelehnt hatte, seine Zufriedenheit ebenfalls nur vorgab.
»Großartig. Er ist ein guter
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