Der Neid eines Fremden
sobald sie davongefahren war.
»Möchten Sie, daß ich mitkomme, Sonia? Ich könnte Ihnen vielleicht eine Suppe kochen. Haben Sie etwas zu essen da? Kann ich irgendwas für Sie einkaufen?« Sie wollte gerade fragen, ob das Mädchen einfach nur reden wollte, als Sonia aus dem Wagen stieg und die Tür zuschlug. Rosa war nicht beleidigt. Bei dem erbärmlichen Gesichtsausdruck des Mädchens konnte man keine guten Manieren verlangen.
»Wie bitte, Leo?«
»Ich habe mich nur gefragt, ob sie schwanger sein könnte. Schließlich könnte man annehmen, daß ihr Freund für dieses sündhaft teure Parfüm, von dem du mir erzählt hast, eine Gegenleistung erwartet.«
»Wie kann man nur so gefühllos und chauvinistisch sein? Das Mädchen war vollkommen außer sich.«
»Komm schon, Rosa. Zu einem anderen Zeitpunkt hättest du etwas ähnliches sagen können.«
Von der Richtigkeit dieser Aussage war Rosa zutiefst betroffen. »Hör verdammt noch mal auf, dich so onkelhaft zu benehmen. Ich bin keine Patientin, hörst du?« Sie befreite sich aus seiner Umarmung. »Ist das deine Art, sie zu besänftigen? Aber, aber, Mrs. Smythe-Willoughby. Sie sind hier in guten Händen. Aufgeblasener Lackaffe.«
Leo schwieg einen Moment und sagte dann: »Du hast mir noch nicht erzählt, wie die Sendung heute gelaufen ist.«
»Ich hab' heute keine Sendung gehabt. Nach zwei Jahren solltest du allerdings wissen, an welchem Tag meine Sendung ist.« Etwas unsicher stand sie auf. Vor seiner Rückkehr hatte sie zwei große Gläser Gin getrunken, und obwohl er das gerochen haben mußte, hatte er nichts gesagt. Sie begann immer früher zu trinken. »Und hör auf, mich auszulachen.«
»Liebling, ich lache ja gar nicht.« Leo war ebenfalls aufgestanden. »Jetzt komm. Heute abend machst du den Salat an, während ich den Fisch brate. Du solltest besser nicht in die Nähe einer offenen Flamme kommen.«
Er beobachtete, wie sich ihre Unterlippe nach vorn schob. In diesem Moment hatte sie große Ähnlichkeit mit Kathy. Er wurde sich seiner von einer leichten Enttäuschung durchsetzten Zuneigung zu ihr bewußt. Er hatte gehofft, seine Liebe, die Kinder und die Stabilität ihres Familienlebens hätten angesichts dieser Bedrohung von außen ein größeres Gewicht für sie, als es tatsächlich der Fall war. Er küßte sie zärtlich aufs Ohr. Abrupt zog sie ihren Kopf zur Seite. Guy erschien in der Tür.
»Wo ist Madgewick?«
»Ist er nicht in der Küche?«
»Nee.«
»Dann wird er wohl auf unserem Bett liegen. Ich werde Greg sagen müssen, daß er ihn im Keller einschließen soll.«
»Ich hab' in eurem Schlafzimmer nachgesehen.«
»Wie steht's mit dem Wäscheschrank?«
Madgewick hatte eine Vorliebe für die Wärme und die Gemütlichkeit des Wäscheschranks und flitzte wie ein Blitz hinein, sobald die Tür offenstand, um Haarbüschel verschiedenster Farbabstufungen großzügig über die gebügelte Wäsche zu verteilen.
»Da hab' ich auch schon nachgesehen. Ich hab' überall nachgeguckt. Sogar unter allen Betten.«
Leo sagte: »Irgendwo muß er ja stecken. Nach dem Abendessen suchen wir zusammen nach ihm. Selbst wenn dieser Kerl eine Tür offengelassen hätte, wäre er nicht hinausgegangen.«
Das war richtig. Seit dem Tag, als Guy ihn nach Hause gebracht hatte, war er, abgesehen von seiner ersten ausgedehnten Behandlung beim Tierarzt, nie nach draußen gegangen. Aufgrund seiner früheren Erfahrungen, die angesichts des Zustands, in dem sie ihn bei ihrer ersten Begegnung angetroffen hatten, schrecklich gewesen sein mußten, hatte er eine an Paranoia grenzende Abneigung gegen Reisen entwickelt. Im Sommer ließ er sich manchmal, wenn sie alle im Garten waren, zu einem Ausflug auf die Terrasse überreden, um sich mit nie nachlassender Aufmerksamkeit zwei Meter von der rückwärtigen Tür entfernt zusammengerollt in die Sonne zu legen, bereit, jederzeit in die Sicherheit des Hauses zurückzusausen.
Nach dem Abendessen hatten sie im ganzen Haus nach ihm gesucht. Offensichtlich hielt er sich dort nicht auf. Leo ging in die eiskalte Nachtluft hinaus und erkundigte sich bei sämtlichen Nachbarn. Rosa rief die Polizei an und meldete die Katze als vermißt. Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang nicht sonderlich besorgt. »Wir haben hier zwar eine Fundliste für Hunde, aber nicht für andere Tierarten. Natürlich werden wir es vermerken.«
»Das ist sehr nett. Wie ich
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