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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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annehme, bedeuten Ihnen Katzen nichts. Nun - diese bedeutet uns sehr viel.« Sie war laut geworden und bemerkte Guys besorgtes Gesicht. Sie warf den Hörer auf die Gabel. In dieser Nacht schloß sie vor Verwirrung und Angst kaum ein Auge.
      Die Atmosphäre am Frühstückstisch war gedämpft. Die Kinder standen kurz davor, in Tränen auszubrechen. Rosa vermißte Madge-wicks sonderbar kauziges Gesicht und seine nach Aufmerksamkeit heischenden Kunststückchen mehr, als sie vermutet hätte. Bis zur letzten Minute hielt sie sich im Garten auf, machte sich erst auf den Weg ins Studio, nachdem sie die kahlen Bäume mit ihren schwarzen Ästen abgesucht und immer wieder, allerdings ohne Erfolg, seinen Namen gerufen hatte. Der Kater war schlicht und einfach verschwunden.
     
    Sonia lag in ihrem Bett. Sie lag dort seit dem Nachmittag, an dem Rosa sie nach Hause gebracht hatte. Der Rest des Tages, der früh einbrechende Abend, die endlose Nacht, der nächste erbärmlich graue Tag hatten sich qualvoll dahingezogen. Aber dann hatte sie das Gefühl für die Zeit verloren. Was hatte Zeit auch schon zu bedeuten? Ihr war nur so kalt. Das Apartment war ausgekühlt. Die Bettlaken waren kalt und feucht und ihr Kopfkissen von Tränen durchnäßt.
      Jetzt, nachdem sie sich ausgeweint hatte, lag sie im vollen Bewußtsein ihres Verlustes steif und unbeweglich da. Seit jenem Nachmittag hatte sie nichts mehr zu sich genommen, denn sie meinte ersticken zu müssen, sobald sie etwas schluckte. Das Telefon klingelte dreimal. Sie ignorierte es. Als sie den Tiefpunkt erreicht hatte, ihrer tiefen Verzweiflung und unaussprechlichen Qual nicht weiter nachgeben konnte, spürte sie, wie auf schmerzliche Weise wieder Leben in ihre Glieder kam. Und mit der Rückkehr zum Bewußtsein stellte sich ein neues Gefühl ein.
      Zunächst empfand sie nichts als Wut. Wie er sie mißbraucht hatte! Sie dachte an all die Stunden, die sie gemeinsam in ihrer Wohnung verbracht hatten. An das Essen und den Wein, die sie bereitgestellt hatte. Und an die seltsamen Dinge, zu denen er sie überredet hatte. Jetzt, da sie die Hoffnung auf einen möglichen Heiratsantrag aufgegeben hatte, erkannte sie sie als das, was sie wirklich waren: schmutzige, erniedrigende Dinge. Und sie hatte alles mit sich machen lassen, weil sie so sehr wollte, daß er sie begehrte. Weil sie eine weiße Hochzeit mit einem Ehering von Bravington und ein kleines Haus mit einem spielenden Kind im Garten gewollt hatte. Jetzt schüttelte sie mit derselben Vehemenz, mit der sie sich vorher betrogen hatte, die Halbwahrheiten und ausgesprochenen Lügen ab, an die sie in ihrer Dummheit geglaubt hatte, um ihr illusorisches Glück aufrechterhalten zu können. Steif setzte sie sich auf (sie trug noch immer ihre Bürokleidung) und schwang die Beine aus dem Bett.
      Vom vielen Weinen fühlte sie sich immer noch schwach. Doch ihr Zorn ließ sie aufleben, und von Minute zu Minute entwickelte sich ein zweites, untergeordnetes Gefühl. Etwas, das die Trostlosigkeit abmilderte und ihr Herz erwärmte. Das Blut, das nur wenige Augenblicke zuvor in ihren Adern zu stocken schien, begann wieder zu zirkulieren. Und diese Wärme war keine Illusion, die sich durch eine weitere grausame, zufällige Entdeckung auflösen würde.
      Sonia fühlte wieder Boden unter den Füßen. Zornige Gedanken, unnötig vergossene Tränen, zerstörte Hoffnungen und Träume verschmolzen miteinander und verwandelten sich in ein Elixier, das mächtig war und ihr mehr Kraft gab, als ihre Liebe je vermocht hatte. Als sich der Haß bemerkbar machte und diese ungeheure Kraft entwickelte, mischte sich Angst in Sonias Erregung. Ihr Haß war so gewaltig, daß er ein Eigenleben anzunehmen schien. Es hätte sie nicht gewundert, wenn er Türen zugeschlagen, Vorhänge auseinandergeblasen und sie herumgewirbelt hätte. Sie klammerte sich an die Bettkante, bis sich der Aufruhr ein wenig gelegt hatte.
      Sie empfand eine tiefe Befriedigung, aus der jegliche Spur von Bedauern oder Schuldgefühl verschwunden war, als sie die Nummer der Vermittlung wählte. Sobald die sich meldete, sagte sie: »Verbinden Sie mich bitte mit der Polizei.«
     
    Rosa spürte, daß Leo sie beobachtete. Die Töpfe auf dem Herd schienen wie aus eigenem Antrieb gegeneinanderzuklappern. Sie versuchte sich einzureden, das liege an den vom Wasserdampf rutschigen Griffen. Heute hatte sie das Undenkbare getan. Sie hatte die Kinder gebeten, sich mit ihr gegen ihren Vater zu

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