Der Neid eines Fremden
Schreibbuchstaben jeglichen Typs und jeglicher Farbe angebracht. »Das heißt, daß wir nur hereinkommen, wenn uns jemand die Haustür öffnet.«
»Das glaube ich nicht. Ich habe gesehen, daß sie beim Hineingehen einfach die Tür aufgedrückt hat.«
Ein sauber getipptes Schild neben der Klingel für das Apartment Nummer sieben trug den Namen »Sonia Marshall«. Duffy lehnte sich gegen die ehemals weiße, Blasen werfende Tür, und sie betraten eine Eingangshalle. Der Boden und die Treppe waren mit fleckigen Strohmatten ausgelegt. Es roch nach einer Mischung aus den verschiedensten Gerüchen. Am frischesten schien ein Currygeruch zu sein, doch mit ihm vermengten sich eine Reihe anderer Geruchsrückstände: abgestandener Kohl, Fisch, verbranntes Grillfleisch, feuchte Wäsche und verschimmelter Käse. Die traurigen Spuren Hunderter in möblierten Zimmern verbrachter Existenzen. Es war sehr dunkel. Duffy drückte auf einen Lichtschalter; es war einer von denen, die sich automatisch abschalten.
»Mein lieber Gott. Stell dir vor, du müßtest jeden Abend in eines dieser Zimmer zurückkommen.«
»Und die Wochenenden. Wie werden die Wochenenden wohl aussehen?«
Von schwachen Reggae-Klängen abgesehen, war das Haus ruhig. Sie kamen an zwei mit Linoleum ausgelegten Badezimmern vorbei, in denen Badewannen auf klauenartig geschwungenen Füßen und riesige, verrostete Gasboiler zu sehen waren. In einem der Badezimmer standen zudem eine Toilette und ein Gaskocher.
»Nicht zu glauben«, sagte Duffy, »das nenne ich zeitsparend. Man kann sich sein Hähnchen braten, während man sich die Füße wäscht und der Befriedigung seiner natürlichen Bedürfnisse nachgeht.«
»Wer immer der Besitzer auch sein mag, muß pro Woche um die fünfhundert Pfund einkassieren. Man könnte erwarten, daß er ein kleines bißchen davon in einen Eimer Farbe investiert.«
»Sei nicht so blauäugig, Rosa. Die Spielregeln sind hier anders.«
Die Tür des Apartments mit der Nummer sieben war ebenso schäbig und anonym wie die anderen. Duffy klopfte und Rosa rief: »Sonia? Ich bin's, Rosa. Ist alles in Ordnung?« Sie drückte gegen die Tür. Doch sie gab nicht nach. »Was nun?«
»Wir könnten ja nachsehen, ob irgendeiner der Nachbarn etwas Genaueres weiß.« Duffy überquerte den Flur und klopfte an die vier übrigen Türen, erhielt jedoch keine Reaktion. Er rannte ins obere Stockwerk und wiederholte das Ganze. Rosa klopfte, allerdings wieder ohne Erfolg, an Sonias Tür, dann gingen sie ins untere Stockwerk. Sie folgten der Reggae-Musik, bis sie an das Apartment Nummer drei kamen.
Ein Afrikaner öffnete die Tür. Er hatte Dreadlocks, trug ein wehendes rotes Gewand und um Hals eine Kette aus geflochtenem Haar, an der eine kleine Trommel hing. Er verbreitete einen starken süßlichen Geruch, als er mit wiegendem Gang auf den Flur kam. Rosa fragte ihn, ob er etwas über Sonias Verblieb wisse. Er starrte sie an.
»Sie wohnt über mir. Ich weiß, sie is' nich' da, weil wenn sie da is' - Mann -, da wackelt die Decke.«
»Was wollen Sie damit sagen?« Rosa konnte sich nicht vorstellen, daß Sonia im Zimmer herumhüpfte oder sich einer anderen Form der Ruhestörung schuldig machte.
»Ein Bacchanal, Mann. Was glaubste wohl, was ich sonst mein'?« Dann, als sie ihn immer noch verständnislos ansah: »S-E-X.«
»Oh.« Rosa konnte sich Sonia inmitten orgiastischer Szenen noch weniger vorstellen. Sie spürte, daß sie wie ein Schulmädchen errötete. »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen ... ich meine, gehört?«
»Letzte Nacht, letzte Woche, letztes Jahr... was is'n Zeit, Mann? Häng's wohl anner Zeitnadel, was, Baby?«
»Bitte,... es ist sehr wichtig - «
»Rosa.« Duffy unterbrach sie und führte sie weg. Die Tür fiel ins Schloß. »Er ist völlig zugekifft. Von ihm wirst du nichts erfahren.«
»Aber es ist sonst keiner zuhause.« Rosa entfernte sich nur zögernd von der Tür. »Vielleicht sollte ich heute abend wiederkommen. Wenn die Leute wieder von der Arbeit zuhause sind.«
»Ich weiß nicht.« Duffy klang nicht sehr ermutigend. »Diese Häuser sind verflucht anonym. In diesen Hühnerkäfigen wechseln die Leute auf der einen Seite des Hauses mit denen von der anderen kein einziges Wort. Aber ich schätze, es wäre einen Versuch wert.«
Als sie die Treppe hinuntergingen, fügte er hinzu: »Wenn ich dich zuhause abgesetzt hab', werde ich ins Studio zurückfahren
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