Der Neid eines Fremden
und hockte sich auf die Tischkante, wie es seine Gewohnheit war. Jetzt hatte es allerdings eine andere Wirkung auf sie. Rosa nahm die nächstbesten Blätter zur Hand und ging zum Aktenschrank.
»Mir scheint, das sind Briefe, die darauf warten, unterschrieben zu werden.«
»Wie bitte?« Sie sah auf die Blätter. »Oh.«
»Was zum Teufel ist mit dir los?«
»Nichts.«
»Jedesmal, wenn ich in deine Nähe komme, zuckst du wie vom Blitz getroffen zusammen.«
Sie holte tief Atem, wandte ihm ihr Gesicht zu und log mutig drauflos. »Ich glaube, die Sache mit dem Vogelmann hat mich umgehauen. Du weißt schon - man denkt, alles wäre vorbei, und dann stellt sich heraus, daß es nicht stimmt.«
»War er wirklich so merkwürdig?«
»Übergeschnappt. Er hatte gelbe Plastikbeine.«
»Wie göttlich.« Duffy lachte und zeigte ein weißes Gebiß, das sich von seiner gebräunten Haut abhob. »Ich wünschte, ich wäre dabeigewesen.«
Das hätte ich mir auch gewünscht, dachte Rosa, die an die trostlose Hin- und Rückfahrt und die traurige Vereinigung danach dachte. Das hätte ich mir auch gewünscht.
Plötzlich wirkte sie so bekümmert, daß ihm das Lachen verging. »Diesen verdammten Hund würd' ich gern in die Finger bekommen. Er würde sich wünschen, nie geboren zu sein.« In der Hoffnung, ein Themen Wechsel könne ihr helfen, fügte er hinzu: »Die Sache mit Sonia ist wirklich sehr verwirrend. Entweder ist sie zu krank, um ans Telefon zu gehen, oder sie hat sich erholt und benimmt sich äußerst seltsam.«
»Ich weiß. Ich kann es einfach nicht verstehen.«
»Sollten wir nicht etwas unternehmen?«
»Naja ... an was denkst du?«
»Ich hab' mir gedacht, wir könnten ein paar Nachforschungen anstellen. Wo wohnt sie?«
»Barons Court.«
»Um welche Zeit holst du deine Kinder ab?«
»Viertel vor vier. Aber -«
»Tonnenweise Zeit.« Er griff nach dem hausinternen Telefon und wählte eine Nummer. »Sollte jemand nach mir suchen, sagen Sie ihm, ich wäre im Fulham-Stadion und würde mit Harry Fielding ein Interview machen.« Er legte auf. »Wir werden zu ihrer Wohnung fahren und dann bring' ich dich zur...«
»Primrose Hill.«
»Dann komm mit...« Auf dem halben Weg zur Tür hielt er inne. »Was ist los?«
»Ich ... ich glaub' daß das keine gute Idee ist.«
»Hast du einen besseren Vorschlag?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr schwindelte bei dem Gedanken, einige Zentimeter entfernt von ihm in einem Wagen eingeschlossen zu sein.
»Es könnte etwas Ernstes sein, Rosa.«
»Ich weiß.« Und ihren Widerstand konnte sie nicht anders als mit ihren wahren Vorbehalten begründen. Wenn ich die Wahrheit sage, kann ich für nichts mehr garantieren, dachte sie. Sie schlug sein Angebot ab, ihr in den Mantel zu helfen, und holte ihre Tasche.
»Wir dürfen uns wegen der Kinder nicht verspäten.« Sie redete bestimmt wie eine Lehrerin, die sich an eine besonders schwierige Klasse wendet.
»Nein, Madame.« Er berührte sein blondes Stirnhaar. »Ganz wie Sie sagen, Madame.«
Im Wagen fühlte sie sich trotz seiner Nähe erheblich besser. Es tat gut, tatsächlich etwas zu unternehmen. Sie richtete ihren Blick auf die Straße, während sie mit ihm redete. Obwohl Duffy häufig und geschickt die Spur wechselte, kam ihr die Fahrt endlos vor. Schließlich verließen sie die Cromwell Road mit ihren Hupkonzerten und unerträglichen Abgasschwaden.
»Eine ziemlich trostlose Gegend«, murmelte Duffy, als er in die Edith Road einbog.
»Dort drüben ist das Haus. Das mit den abgeblätterten Säulen.«
»Die Säulen sind hier alle abgeblättert, meine Liebe.« Das stimmte nicht ganz. Ein oder zwei Häuser waren ziemlich gut erhalten. »Meinst du das eine, das die Farbe von verfaulender Leber hat?« Als Rosa nickte, parkte er den Wagen so nah wie möglich am Haus. »Es dürfte nicht lange dauern. Willst du im Wagen bleiben und dich mit eventuellen wütenden Anwohnern auseinandersetzen?«
»Nein.« Rosa hatte bereits die Wagentür geöffnet. »Sie könnte krank sein und würde dann bestimmt nicht wollen, daß du in ihr Zimmer geplatzt kommst.«
»Ich bin sicher, sie wäre entzückt. Schön, so begehrt zu sein.« Sie gingen die Treppe hinauf. »O mein Gott - es ist eins von diesen.« Neben der Tür waren ungefähr ein Dutzend verschiedener Klingeln und angrenzender Namensschildchen in Druck- und
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