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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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die Uniform und die Polizeimütze in eine Tasche, zögerte dann aber. »Wenn die erste Kleiderprobe heute abend ist, sind Sie dann nicht ein bißchen spät dran? Ich meine, um ein Kostüm zu leihen?«
      Einer plötzlichen Eingebung folgend erwiderte er: »Morris Angel hat uns hängengelassen.«
      Es war, als gebe allein die Erwähnung des berühmten Namens seinem Auftrag Glaubwürdigkeit. Ihr Gesicht hellte sich auf, und sie lächelte. »Da sieht man mal wieder. Die Größten sind nicht immer die Besten.« Sie reichte ihm die Tasche. »Viel Glück.«
      »Wie bitte?«
      »Für die Generalprobe.«
      Auf der Fahrt nach Islington umklammerte er die Tasche im Hochgefühl des Triumphs. Seine früheren Ängste erschienen ihm jetzt schimärenhaft, seiner Person vollkommen unwürdig. Er hatte sich wie ein verängstigter kleiner Junge verhalten, der in diesem oder jenem Vorfall Omen zu sehen glaubte und meinte, eine Macht von außerhalb könnte sein Schicksal beeinflussen. Er schämte sich dieses Rückfalls und schwor sich, sich selbst treu zu bleiben. Es war nicht so, als habe er noch lange zu warten.
     
    Sonia sagte: »Ich möchte jemanden anzeigen. Wegen einer Morddrohung.«
      »Dies ist nur der Notruf. Haben Sie sich mit der nächsten Polizeidienststelle in Verbindung gesetzt?«
      »Nein. Ich ...« Sie zögerte. Es war, als habe die unpersönliche Stimme ihre Emotionen und Gedanken aufgerüttelt, sie durcheinandergeworfen, so daß sie jetzt ein neues Muster bildeten. Kein Grund, vorschnell zu handeln. Sie legte den Hörer auf die Gabel. Dann setzte sie einen Kessel auf und brühte sich einen Kaffee. Sie stellte den gasgespeisten künstlichen Kamin an, wusch sich Gesicht und Hände und goß das Wasser durch einen Filter. Der Kaffee war sehr stark. Sie gab Milch und ein wenig braunen Zucker hinzu und setzte sich, die Hände an der Tasse wärmend, vor das Kaminfeuer.
      Fast zehn Minuten tat sie nichts anderes, als ihre neue Position zu genießen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie die Trümpfe in der Hand. Und wie nah hatte sie davorgestanden, das Handtuch hinzuwerfen. Welchen Vorteil hätte sie daraus ziehen können? Er würde nicht einmal wissen, daß sie ihn verpfiffen hatte. Und sie würde noch einmal von vorn anfangen müssen. Nein. Das Schicksal hatte dafür gesorgt, daß sie die Oberhand gewonnen hatten und nun lag es an ihr, diese Situation zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie war nicht mehr »verliebt«, was immer dieser dumme Ausdruck auch heißen sollte, und zusammen mit dem kürzlich erst erworbenen Wissen machte das ihre Position unangreifbar. Sie hatte ihn da, wo sie ihn immer schon haben wollte. Sie wußte nicht genau, wie sie ihn immer schon haben wollte. Sie wußte nicht genau, wie sie ihre Macht nutzen würde. Vielleicht würde sie ihn trotz allem dazu zwingen, sie zu heiraten. Hätte sie erst einmal ein Haus und ein Kind, könnte er tun und lassen, was er wollte. Jetzt wußte sie, was für ein Mensch er war; sie würde sich offenen Auges und vollkommen illusionslos in die Situation begeben. Keine schlechte Basis für eine Partnerschaft. Der Gedankenaufruhr begann sich zu legen.
      Sie stand hastig auf. Jetzt war sie sich der Richtung, die sie einschlagen würde, so gewiß, daß sie meinte, sie würde von einer fremden Macht vorangetrieben. Sie wollte nicht warten, bis er sie anrief, sondern holte ihr Adreßbuch hervor und blätterte es durch. Obwohl sie ihn oft genug darum gebeten hatte, hatte er ihr nie seine Adresse gegeben. Egal. Er würde sie ihr geben, wenn er hörte, was sie ihm zu sagen hatte. Als sie seine Nummer wählte, stellte sie sich lebhaft vor, wie er den Hörer abnahm, und für einen Moment stellte sich der alte Zauber wieder ein.
      Ja. Sie würde ihn heiraten können. Es würde keine Ehe im alten Stil sein, aber schließlich mußte sich alles einmal verändern. Eine fremde Stimme kam ans Telefon.
      »Ist Fenn da?«
      »Weiß nich'. Ich ruf mal.«
      »Nein, warten Sie. Ich denke, ich komme statt dessen vorbei. Allerdings rufe ich nicht von zuhause aus an und habe deshalb mein Adreßbuch nicht bei mir. Könnten Sie ...?«
      »Lucy Place 14 - geht von der Packington Street ab. Möchten Sie, daß ich nachsehe, ob er da ist?«
      »Nein, vielen Dank. Ich würde ihn gern überraschen.«
      »Ganz wie Sie meinen.«
      Sonia legte den Hörer auf und zog den Stadtplan zu sich heran. Die nächste U-Bahn-Station schien Angel zu sein. Ihre Kleidung war

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