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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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schon noch lernen, mein Junge.«
      Leo antwortete automatisch. In Gedanken verweilte er bei der Schilderung, die er soeben gehört hatte. Angesichts seines Berufs fiel es ihm schwer zu verstehen, wieso ihm so übel war, nachdem ihm in allen Einzelheiten mitgeteilt worden war, wie Madgewick während seines langsamen, immer wieder hinausgezögerten Todes reagiert hatte.
     
     

* 7
     
    Als am nächsten Morgen das Telefon klingelte, war Rosa allein im Haus. Sie stand einfach da und ließ es klingeln. Antworte mir. Antworte mir. Sie sagte sich, daß wer immer es sein mochte, noch einmal anrufen würde, wenn es wichtig wäre, und dann Mrs. Phillips ans Telefon gehen und eine Nachricht entgegennehmen könnte. Rosa hatte Leo versprochen - und dieses Versprechen war ihr nicht schwergefallen -, unter keinen Umständen ans Telefon zu gehen. Nie war sie sich der Tyrannei der Gegenstände so bewußt gewesen. Sie berührte das Telefon. Es bebte leicht unter ihrer Hand. Sie kannte die Stimme bereits so gut. Eine Silbe, und sie könnte auflegen. Sie würde ihm nicht zuhören müssen. Sie nahm den Hörer ab.
      »Hallo, Liebling. Wie geht's dir heute?«
      »Oh.« In ihre Erleichterung mischte sich eine nervöse Erregtheit. »Du bist es.«
      »Natürlich. Ich muß dich sehen, Rosa.«
      »Hör zu, Duffy. Was ich gestern gesagt habe ... als es darum ging, daß ich im Moment nicht damit umgehen kann. Das habe ich ernst gemeint. Ich will damit nicht kokettieren.«
      »Das ist nicht der Grund, weshalb ich dich sehen will. Na ja - im Grunde genommen schon, aber es geht noch um etwas anderes. Es ist ungeheuer wichtig. Ich glaube, ich bin deinem Verrückten auf der Spur.«
      »Wie? Oh - und hast du etwas über Sonia herausgefunden?«
      »Ja ... nein ... ich erzähl's dir, wenn wir uns treffen.«
      »Wo? Du meinst doch nicht etwa, daß du hierhin kommen willst?«
      Er konnte nicht umhin, sich von der Panik in ihrer Stimme geschmeichelt zu fühlen. »Warum nicht? Wir werden eine Anstandsdame haben, oder? Kommt dein Putzteufel heute etwa nicht?«
      Rosa sah auf die Standuhr. Sie erwartete Mrs. Phillips in einer Viertelstunde, lange bevor Duffy eintreffen würde. »In Ordnung. Hast du schon gefrühstückt?«
      »Nur einen Toast.«
      »Ich werd' einen Kaffee aufsetzen.«
      Als ihre Putzhilfe eintraf, rannte Rosa in die Bäckerei und holte einige frische Brötchen. Sie deckte den Tisch im Eßzimmer: Butter, schwarze Kirschmarmelade und Obst - und ließ die Kaffeemaschine laufen. Dann stellte sie sich ans Fenster und wartete.
      Sie erwartete, seine gelbe Diane zu sehen, bis ihr einfiel, daß es unmöglich sein würde, gleich vor dem Haus einen Parkplatz zu finden. Es war ein eiskalter, aber sonniger Tag. Die mit purpurroten Früchten beladenen Zweige der Steinmistel schlugen, getrieben vom Wind, gegen die Scheibe. Duffy kam um genau fünf nach zehn die Treppe hinaufgerannt. Er trug die für Außenaufnahmen übliche Kleidung: einen grünen Parka, khakifarbene Cordhosen, eine Fellmütze mit Ohrenklappen und Handschuhe aus Schafwolle. Er nahm ihre Hand, sah sie einen Augenblick intensiv an und ließ sie dann los.
      »Wo bleibt dein berühmter Kaffee?«
      »Ich hab' den Tisch im Eßzimmer gedeckt.«
      »Fantastisch. Zeig mir, wo's langgeht.« Anerkennend sah er sich in dem langen, geschmackvoll eingerichteten Raum um, dann folgte er ihr an den Tisch. »Ich hoffe, du hast etwas Heißes in der Röhre, wie diese Steh-auf-Komödianten immer sagen.«
      »Zwei Freudsche Fehlleistungen in einem Satz. Für zehn Uhr bist du wirklich nicht schlecht.«
      Wir scheinen beide denselben Ton anzuschlagen, dachte Rosa. Freundlich, witzig, aber nicht zu intim. Sie war dankbar für sein Verständnis, doch nichts konnte den Kuß rückgängig machen, und als sie am Tisch Platz nahmen, rückte sie ein wenig von ihm ab und sah, daß er es bemerkt hatte. Für die Geräusche aus der Küche, das Klappern der Töpfe und Pfannen, war sie dankbar. Als sie einen Stuhl zu sich heranzog, streifte sie seinen Fuß, doch sie zwang sich, ihn nicht wegzuziehen und so zu tun, als hätte sie nichts bemerkt.
      »Was hat das Personalbüro gesagt?«
      »Eine gute Frage. Ich habe Doris gesagt, wir hätten uns Sorgen gemacht und bei ihr angerufen, und hab' sie gefragt, was wir als nächstes tun könnten. Sie hat in Sonias Personalakte nachgesehen - ihre Eltern wohnen übrigens in Rugby - und bei ihren Eltern angerufen. Sie hatten

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