Der neue Daniel
erkennbaren Wege abseits hätte sie unfehlbar dem grauenhaftesten Irrgang ausgeliefert.
Das Gefühl, daß neben ihnen irgend eine spottende Gewalt herschritt, stets bereit sie am Kleid zu zupfen und sie einzuladen, sich doch einmal abseits umzusehen, – (um sie dann erbarmungslos in einer Falle von Sand und Stämmen sitzen zu lassen,) – stieß ihnen wie mit einer Faust in den Rücken. Irgend eine gegenstandslose Angst ballte sich hinter ihnen auf und rollte mit dem Summen der dem Sande entbrüteten Insekten hinter ihnen drein... Diese Angst, zunächst wie eine kleine Beunruhigung, wuchs, sich lawinenhaft aus allen Bereichen dieser hölzernen Totenkammer ihre wachsende Wucht entsaugend. Die Sonne stand schon schräg. Schon malten ihre Strahlen die Schatten der Einsamen riesengroß in das Gitter der Stämme. In einer halben Stunde würde ein graues Zwielicht herrschen; die spärlichen Merkmale des Weges würden sich ganz verwischen und nur ein Sternkundiger hätte die Richtung beibehalten.
So beeilten sie sich.
Mildreds Gesicht, wieder mit diesem Erwin äußerst besorgenden und befremdenden maskenhaften Ausdruck schimmerte weiß wie ihre Bluse. Er hörte ihre hastigen, trockenen Atemstöße. Sie holten aus, als ginge es ums Leben. Dabei waren sie sich darüber klar, daß nicht der geringste Grund zur Beunruhigung mehr vorliege. Eine kurze Strecke würde sie wenigstens in Hörweite der Überlandstraße bringen, und damit war ja schon alles gerettet. Oder sie brauchten dem schweifendenHunde nur zu folgen, dessen Schatten wie ein irrender Geist dieser Einsamkeit, eine Ausgeburt oder ein Spuk, vor ihnen herglitt.
Erwin pfiff.
Der Hund stand einen Moment still, dann, mit einer merkwürdigen Plötzlichkeit, und allen Anzeichen von Bestürzung, wich er seitwärts durch das Unterholz und verschwand. Jetzt hörten sie schon vereinzeltes Hahnengeschrei und wußten, daß ihr Irrgang ein Ende hatte.
Es war kein erfrischender Spaziergang gewesen; es war, wie Mildred sich ausdrückte, als ginge man an einer endlosen Reihe von vergitterten Zellen vorüber, hinter denen die Seelen halb Erloschener ein planloses Wesen trieben.
Ein anderes Mal versuchten sie die scheinbare Fortsetzung des Weges bei der Hühnerfarm nach der anderen Seite zu verfolgen, was ja in diesem, dem Orte nähergelegenen Teile des Waldes kein solches Wagnis bedeutete. Wiederum trug der Weg zunächst denselben Charakter, dann aber gerieten sie auf Lichtungen, wo stagnierendes Wasser üppigere Vegetation erzeugte und hübsche Bilder halb tropischer Sumpflandschaften vor ihnen aufrollte. Wenn auch alles schweigsam und brütend war, so war es doch wenigstens wie die Erinnerung an ein Glashaus, wie es Erwins Vater vor Zeiten gepflegt und in das man mit gebücktem Kopf eintreten mußte. Feuchte Stengel kitzelten den Nacken dabei...
Aber auch dieses Stück des Weges wollte ihnen übel, denn es war Triebsand entstanden, der sie plötzlich bei einem unbedachten Schritt bis zu den Knien einsog; es war, als griffe der Dämon, der sie im Walde nicht äffen konnte, von unten nach ihnen; als walte etwas Zerstörerisches ob, das sich in vielen Formen zu äußern mühte und es zögernd bei halbem Gelingen beließ.
Sie trafen dann auf einen Reitweg, so vom Winde geschützt, daß die Hufabdrücke der Vorfrühlingssaison noch halb sichtbar waren. Dieser Reitweg führte in der Nähe ihres Hauses vorbei, das sich am schnellsten erreichen ließ, wenn man sich seitwärts eine Bresche durch das Gestrüpp bahnte. Hier schien der Boden überhaupt mehr Wasser zu enthalten, wie eine Unmenge großblätteriger Farne ihnen zeigte, die in ganzen Gruppen ihre grünen, mächtigen Fiedern über den Weg spreizten.
Aufatmend langten sie an und sahen, wie sich das Gesicht der Negerin, das mit fast angstvollem Ausdruck aus dem kleinen Küchenfenster wie aus einem Rahmen starrte, plötzlich verklärte.
Sie erwarteten ihr Abendmahl, das sie sehr früh, zwischen sechs und sieben Uhr zu nehmen gewohnt waren. Madleen fühlte sich überhaupt nur wohl, wenn ihre Herrschaft im Hause war. Man hatte sie schon mehrmals in seltsamen Stellungen betroffen, wenn man unvermutet zurückkehrte.
Einmal hatte sie im Walde gehockt, anscheinend Reiser sammelnd, aber bei näherer Betrachtungmit irgendwelchen Gebetsprozeduren beschäftigt, als wolle sie sich Geister vom Halse halten. Das andere Mal im Keller, wo sie die Pumpe eigenmächtig in Betrieb setzte und behauptete, das Geräusch sei eine so schöne
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