Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
Vom Netzwerk:
beschränkten.
    Devanney ließ sich kein Erstaunen anmerken. Er unterbrach den Redestrom Zuckschwerdts nur zuweilen mit einem leise gegrunzten »I see«.
    Es war ein freundlicher alter Mann; er saß so nett, so lieb und komplett in seinem hartgepolsterten Lehnstuhl. Güte umwitterte seine kleinen, farblos grauen Äuglein. Häufig strich er sich den grauen Schnauzbart vom Mund, um diesen in lächelnder Form zu zeigen. Oder er kratzte sich mit einem tabakgelben Fingernagel verständnisvoll sinnend am mangelhaft rasierten Kinn.
    Seine Haut war pergamentgelb, sein Kopf klein. Die Nase trug ein feines Netzwerk violetter Äderchen. Man sah diesen etwas verdächtigen Schmuck jedoch nur bei schärferem Hinschauen. Auf der Schädelwölbung trug er eine noch bemerkenswert üppige Kappe eisengrauer Haare, die in der Mitte gescheitelt war. Unauffällig saß er da. Sein Anzug hatte die Farbe der Wand.Es war, als schmiege er sich voll verschmitzter Mimikry in die Umgebung hinein.
    Sein faltiger Hals stieg aus einem niedrigen Kragen. Auf dem grauen Homespun seiner Weste prangte eine silberne Uhrkette, die von einer Seitentasche in die andere hinüberwanderte. Seine Hände waren klein, faltig, kurzfingrig und rastlos, wenn er sich auch sonst in Ruhe befand. Man bemerkte vielleicht noch, daß die Kniegegend seiner Hosen blankgescheuert war. Ob das von seiner Angewohnheit kam, sich die Knie ständig mit der Faust zu polieren, blieb dahingestellt.
    Zuckschwerdt sagte eben mit einer gewissen Emphase: »Und so möchte ich als guter alter Freund dieses Herrn befürworten, daß dieses Bureau sein möglichstes tut, um ihn der stillen Arbeit in seiner Heimat wieder zuzuführen. Das Internationale Recht besteht darauf, daß man Zivilisten, die militäruntauglich sind, bei Kriegsausbruch wieder in ihr Land entläßt, ja in manchen Fällen sogar mit einer Entschädigung.«
    »Militäruntauglich?« fragte Devanney und musterte Erwin. Er fragte es mit einem gewissen Bedauern, als ob er sagen wolle: »Wie schade für den prächtigen jungen Mann!« – mit Kondolenz in der Stimme, gleichsam.
    »Schwer herzleidend,« fuhr Zuckschwerdt fort und blitzte das Männchen mit scharfem Ausdruck an. »Wie er vorhin die Treppe raufkam, schlugsein Herz schon einen Trommelwirbel. Der arme Mensch hat auch deutsche Bäder nötig. Hier sind sie ihm zu teuer.«
    »I see,« sagte Devanney und wiegte nachdenklich den Kopf. Dann sich zu Erwin wendend: »Haben Sie ein Papier von der deutschen Militärbehörde dabei?«
    Erwin wies einen Landsturmschein vor.
    Devanney blickte die Karte schief an, wußte offenbar nichts mit dem winzig gedruckten Dokument anzufangen und legte es beiseite. »Das behalte ich hier; denn – –« (er lächelte fast erschrocken und entschuldigend) – – »ich bin ein ungebildeter alter Kerl, der nicht einmal deutsch versteht; habe aber einen Mann hier, der es vielleicht übersetzen kann«.
    Hier regte sich Zuckschwerdt. »Macht nichts, macht nichts, Mr. Marshall!« Dadurch, daß er die unmögliche Anrede »Mr.« gebrauchte, suchte er sich gleichsam gegen eine eventuelle falsche Auffassung seines lärmenden Wohlwollens sicher zu stellen. »Verlangt ja auch niemand von Ihnen. Was brauchen wir uns hier in Amerika auch mit fremden Sprachen zu plagen.«
    Devanney sagte leise: »Ja und doch, es hat seine Vorteile, wenn man deutsch kann.« Auf einmal zog er die buschigen Brauen leicht in die Höhe und fragte unvermittelt und freundlich interessiert: »Sind Sie Amerikaner?«
    »Selbstverständlich!!« dröhnte Zuckschwerdt, schlug sich auf den Schenkel und lachte geräuschvoll.Die Brandung dieses Gelächters schwemmte das farblose Geschöpf in der Ecke gleichsam um eine kleine Distanz weiter hinweg.
    »Was haben Sie denn geglaubt, Mr. Marshall? – Amerikaner mit Leib und Seele!! Seit Jahren naturalisiert! Habe die Papiere zwar gerade nicht dabei ... Wer denkt denn auch immer an so was! Das käme mir gerade so vor, als ob ein Indianer von Oklahama riskieren müßte, nach seinen Papieren befragt zu werden. Auf den Gedanken war ich gar nicht gekommen; by love!« Und er erhob sich und verneigte sich gegen das Bild des Präsidenten Wilson, der unwirsch mit dem Finger in den Raum herabdrohte.
    Devanney bemerkte all dieses mit mehr als freundlichem Interesse.
    »Sie brauchen gar nichts zu betonen, Mr. Söckswert,« sagte er galant. »Selbstverständlich war die Frage nur Routine und soll nicht irgendwelche Zweifel ausdrücken. Daß Sie Amerikaner sind,

Weitere Kostenlose Bücher