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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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sieht man ja aus jeder Bewegung.«
    Er war rötlich im Gesicht, schien sich einen Moment zu verschlucken, schneuzte sich umständlich in ein kolossales Taschentuch und zog dann aus der Außentasche seiner Jacke, wohin er auch seinen Füllfederhalter plaziert, eine kleine Handvoll Zigarren heraus, drei an der Zahl. »Nehmen Sie eine... als Friedenspfeife!«
    Erwin und Zuckschwerdt bedienten sich. »Eine Friedenspfeife ist zwar nicht nötig!«
    Zuckschwerdt beschränkte sich darauf, sich mehrmals zuckend zu verbeugen und dankbar das Kraut zu entzünden, aus dem er große Wolken sog und sie paffend in die Ecke gegen den Spender schickte.
    »Nun, um auf Ihr Anliegen zurückzukommen, so werde ich für Ihren jungen Freund hier eine Eingabe nach Washington machen, und ich hoffe aufrichtig, daß sie von Erfolg begleitet ist. Kommen Sie in vierzehn Tagen wieder, bis dahin ist die Antwort da. Es freut mich, daß ich etwas für Sie tun kann.«
    »Sehr nett, sehr nett von Ihnen,« sagte Zuckschwerdt an der Zigarre vorbei.
    Hier merkte er, daß das Interview ein Ende erreicht hatte.
    Er schnellte vom Stuhle und schüttelte die dargereichte kleine faltige Hand mit eisernem Griff. Hierauf zog er sich, mit dem Rücken gegen die Türe, zurück, während Erwin sich nur stumm verbeugte und mit der Brust voran dieselbe Rückzugsbewegung vollführte, was ein etwas unharmonisches Bild gab.
    Draußen angelangt, verfiel Zuckschwerdt in Stechschritt und stieß den Stock taktmäßig und vergnügt auf die Platten des Korridors, so als schreite er eine Kompagnie ab.
    Schon auf der Treppe fing er an: »Sehen Sie, Herr Notacker, das ist die Art und Weise, die Bande hier zu behandeln. Ein bißchen Honig umden Mund geschmiert und mit den Wölfen geheult. Das habe ich Ihnen schon neulich gesagt. Gut, daß Sie mich reden ließen. Macht immer einen guten Eindruck. Sie sind landfremd, des Englischen nicht mächtig, pardon, ich meine, Sie können die Zungenverdrehungen hier, die man englisch nennt, noch nicht täuschend genug machen. Sie sitzen da, sind stumm und dankbar und lassen Ihre Freunde für sich arbeiten ... Das wirkt. –
    Als er mich nach meinen Papieren fragte, Donnerwetter ja, da wurde mir etwas schwül, weil ich noch nicht einmal die ersten herausgenommen habe. Aber im Grunde sind die Leute ja froh, wenn sie einem nicht auf den Zahn zu fühlen brauchen, besonders wenn man Haare drauf wachsen hat.«
    Dieser Witz beseligte ihn für eine Weile.
    »Haben Sie bemerkt, was für ein oller Schlappschwanz dieser sogenannte Attorney ist. So'n Kerl heißt hier nun Beamter. Im Vorzimmer lümmeln sich beschäftigungslose Kreaturen herum, die sich Detektive nennen, dumme Jungens, die bei uns zu Hause nicht einmal hinter den Ladentisch paßten. Der eine brennt 'ne Zeitung mit seiner Zigarre kaput, der andere kaut Gummi und döst vor sich hin. Das nennt man hier Regierung.
    Hu, da ist doch bei uns in Dinklage schon ein ganz anderer Betrieb. Ein preußischer Assessor selbst ein Dreierjurist würde da in fünf Minuten 'ne ganz andere Note hineingebracht haben. Naja, so ein demokratisches Getriebe hat ja auch seine angenehmen Seiten. Jeder ist wie der andere, man haut sich auf die Schultern, trinkt 'nen Whisky zusammen und nimmt einander nicht weiter tragisch.
    So Stellungen, wie sie dieser Alte einnimmt, sind ja doch nur durch Gaunerei und Bestechung zu haben. Dieser hier ist der Strohmann für ein paar Saloonpolitiker, die eigentlichen Drahtzieher sitzen ganz wo anders; aber auf alle Fälle schadet es nichts, wenn er seinen Namen unter die Bittschrift kleckst.«
    Erwin schwieg. Ihm war, als könne er den Optimismus Zuckschwerdts wie auch dessen fröhliche Lebensauffassung nicht recht teilen. Er wollte dies zwar gern, aber im Hintergrunde seiner Gedanken saß etwas Übles, noch Hinwegzuräumendes, mit dem er eine Auseinandersetzung dunkel scheute.
    Wie Zuckschwerdt ganz richtig vorausgesehen, stand das Auto noch vorm Eingang, von ein paar Bummlern umringt, die ihre Kritik daran übten. Abwartend und treu stand es da im Schutze seiner Schäbigkeit. Zuckschwerdt kurbelte an und zur großen Heiterkeit des Publikums gelang es ihm diesmal erst nach dem vierten Versuch. Doch man kam weg. Man hatte die Mission beendet.
    Was sich freilich droben im Bureau nach ihrem Weggang abspielte, davon wußten sie nichts. Eine Weile noch saß Devanney wie eine Spinnein der Ecke, deren Hunger man nur an dem leisen Vibrieren ihrer Freßwerkzeuge erkennen kann. Dann verfiel er

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