Der neue Daniel
darauf, ganz leise vor sich hin zu lachen. Seine kleinen Augen verkrochen sich und seine Faust polierte das Knie mit einer rasenden Gründlichkeit. Er sah sie noch beide vor sich, diese beiden Deutschen. Der eine schien ja ziemlich harmlos; doch der andere, dieser Söckswert... Guter Amerikaner, was?! Strammstehen vor dem Präsidenten Wilson?! Ha! – Der Freund, ja, über den konnte man noch nichts sagen. Unsympathisch war er ihm nicht gewesen, nein, im Gegenteil. Es gab in seinem irischen Herzen einen Fleck, der sich für den schweigsamen, etwas unbehilflichen Mann mit den müden Augen fast erwärmte. Er drückte auf eine Klingel und das Fräulein erschien.
»Rufen Sie Rolly,« befahl er. Einer von den fuchsartigen Herren war auf einmal lautlos zugegen. Devanneys Augen hatten einen Glanz wie Zinn.
»Ist Ihnen jemand aufgefallen?« fragte er schnappend und kurz.
Rolly grinste und machte eine Kopfbewegung nach der Tür.
»Den nehmen Sie unter die Lupe. Nach einer Woche erstatten Sie Bericht.«– Nichts weiter.
Wenn er sagte, »nach einer Woche,« so meinte er (wenn es dem Fuchs um seine Krippe zu tun war) spätestens: »bis morgen Nachmittag«. –
Zuckschwerdt wird aggressiv
Es war rührend zu sehen, wie Mildred sich freute.
»Zuckschwerdt mag ja seine unangenehmen Eigenschaften haben,« sagte sie, »und eigentlich ist mir seine Forschheit unsympathisch; aber eins hat er, was du nicht genügend hast« – – und sie schlug ihm mit der Hand auf den Rücken) – – »selbst ist der Mann. Es scheint, daß er mit seinen Eigenschaften hier doch gut durchkommt, und wenn er wirklich etwas ausgerichtet hat, dann verzeihe ich ihm vielleicht sogar den Katzenmord. Stelle dir vor, du kannst weg!« – Sie lachte und gleichzeitig kam eine verräterische Träne zum Vorschein.
Sie schüttelte ihn an der Brust und rief: »Stelle dir das nur vor, du kannst weg, weg von hier!!«
»Vorläufig muß man das abwarten.«
»Abwarten«, echote sie, »immer nur abwarten, wie sie mir zum Hals heraushängt, diese Warterei.«
Er lenkte schnell ein. »Ja ja, es sieht diesmal wahrhaftig so aus, als ob etwas passieren könne.«
Sie setzte sich, denn sie war etwas unbehilflich geworden. Doch sie trug ihre beginnende Mutterschaft mit einer aufrechten Grazie, die selbst jetzt noch imstande war, flüchtige Beobachter zu täuschen.
Er wußte, was in ihr vorging. In beider Ohrenbrauste es wie ein herabgewürgter Schmerz, der halbtot gelegen, wie aufschrillendes Zikadengetöse unter blanken Ahornblättern, auf die kein Tropfen fiel. Wie ein purpurner Vorhang quoll es vorüber, in dem Hitze und tödliche Angst sich vorübergehend blähten. Das war etwas Niewiedergutzumachendes, das war vorüber und doch noch lebendig; das regte, zehnmal zertreten, immer wieder einen Stachel und schickte lähmendes Gift in sein Blut.
Aber das gab es ja nicht! Das war ja Einbildung und Phantasterei! Das mußte man zähneknirschend verleugnen, unbedingt verleugnen, jetzt, da es schien, als falle ein ganz schüchterner Strahl von Freiheit durch eine Ritze des metallenen Tores hindurch!!
Sie standen, wie von einem trotzigen Gedanken beseelt, beide auf und umfingen sich. Schloß sie der Krieg noch ein? Ja, die Mauer war unverrückt. Das wußten sie und der Massenmord forderte neue Ströme von Energie, die in zweckloser Vernichtung ihre Wollust fand.
Aber sie fühlten sich irgendwie gefeit durch eine Feuerprobe, die sie einmal an die Grenze des Erträglichen gebracht, und wußten: »Was wir damals erlitten, kann durch nichts übertrumpft werden!«
In den nächsten Tagen ereignete sich nichts Bedeutsames. Plötzlich erschien Zuckschwerdt wieder wie ein Wirbelwind, voll von kleinen Unternehmungsgelüsten. Er riß sie, ob sie wolltenoder nicht, aus ihrer wiedereinsetzenden Lethargie heraus. Er schleppte sie in ein Kabarett in der Walnutstraße, in der Nähe des Rathauses; ja, in allernächster Nähe dieses grauen, finsteren Gebäudes schien er sich besonders wohl zu fühlen.
»Treten Sie dem Löwen nicht so heftig auf den Schwanz,« meinte Erwin, als er sich über die Lage vergewisserte. »Es lauern hier immer ein paar Kerle herum, die es darauf anlegen, uns etwas anzuhängen.«
Zuckschwerdt lachte. »Was wollen die denn,« meinte er geringschätzig. »Natürlich reden wir nicht über Politik. Das, gebe ich zu, würde uns eventuell gefährlich sein. Aber wenn wir biedere Leute vorstellen, die ohne viel Aufsehens sich ein wenig Vergnügen leisten wollen, ein
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