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Der neue Daniel

Titel: Der neue Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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zu kommen.

Der Brief
    Zuckschwerdt entschuldigte sich. Er tat es telephonisch. Er telephonierte noch mehrmals; aber er ließ sich nicht sehen. Offenbar schämte er sich vor Mildred.
    Erwin schrieb ihm ein Briefchen, worin er ihm mitteilte: »Wir müssen nicht mehr so oft zusammenkommen; denn wenn uns irgendwelche Späher gesehen haben, so werde ich mit Ihnen unter einen Hut getan, und da ich nicht die Absicht habe, mich naturalisieren zu lassen wie Sie, da ich kein – verzeihen Sie den harten Ausdruck – künftiger Bindestrich-Amerikaner bin, würde die ganze Vergeltung auf mir landen und Sie würden frei davonkommen, und das wäre doch in Anbetracht unseres verschiedenartigen Temperaments ein grausamer Mißgriff.«
    Auf diesen Brief antwortete Zuckschwerdt nicht. Vielleicht verstimmte ihn die Tatsache, daß man ihn in eine andere Kategorie schob, da er so lärmend Eindeutigkeit zu verkörpern suchte. Doch aus weiteren Telephongesprächen ward ersichtlich, daß Zuckschwerdt das Schreiben nicht erhalten hatte.
    Nach etwa zwölf Tagen bekam Erwin eine Vorladung in das Rathaus. Er ging allein hin. Devanney saß wieder in der Ecke, bat ihn Platz zu nehmen mit derselben Lichtverteilung wie sonst, war sehr höflich, sehr gemütlich und überreichte ihm ein Schreiben, das oben den Vermerktrug: »Department of Foreign Interests«, und, wie Erwin sofort erfaßte, einen abschlägigen Bescheid enthielt.
    Der Beginn der Mitteilung lautete: »Es liegt nicht im Sinne der jetzigen Politik der Vereinigten Staaten, Sie ihre Heimreise antreten zu lassen.«
    Wie zart ausgedrückt, dachte Erwin. Man behandelt mich schlecht; aber wieviel berechnende kleine Schmeichelei liegt doch in der Tatsache, daß die Politik der Vereinigten Staaten und meine Person irgendwelche Beziehung zueinander haben sollten. Worin beruht eigentlich meine Schädlichkeit für dieses Land? Wie könnte ich diesen in Bewegung gebrachten Massen irgendeine heimtückische kleine Behinderung bedeuten? Das wäre ja geradeso, wie wenn man versuchte, mit einer Kaffeebohne ein Schwungrad aus dem Takt zu bringen.
    Etwas wie Stolz überkam ihn darüber, daß offenbar jeder, der irgendwie seiner Rasse angehörte, von vornherein als gefährlich galt; daß man einem solchen ohne weiteres Talente zutraute, irgendeine verschmitzte Spionage phantasievoller, als ihre eigene am Materiellen klebende Phantasie es gestattete, in Szene zu setzen. Dies schoß ihm blitzschnell durch das Hirn, während er das Schreiben von Washington in Augenschein nahm.
    »Es tut mir leid,« sagte Devanney, der ihn inzwischen von unten herauf beobachtet hatte. Er kaute an einer Zigarre und seine Augen schlichendabei an Erwin auf und nieder. »Die Zeit wird ja wohl nicht fern sein, wo Sie Ihrem Vaterlande wieder geschenkt werden.«
    »Wenn es nur auf mich ankäme,« meinte Erwin, »so müßte ich freilich wünschen daß diese Zeit nicht so bald kommt. Aber die Dinge liegen jetzt so, daß vorläufig keine Aussicht auf Schluß ist und je länger es sich hinzieht, desto eher scheint die Möglichkeit eines Vergleiches gegeben.«
    Hier hörte er plötzlich, wie das Mundende der Zigarre mit knisterndem Geräusch zermahlen wurde und die Stimme des Marshalls, wie die eines Hofhundes, der nach Fliegen schnappt, etwas heiser hervorstieß: » Wir wollen keinen Vergleich. «
    Erwin schrak auf. – Der da im Lehnstuhl saß, war ja der Feind und sah in ihm den Feind. Er hatte sich verleiten lassen, irgendeine kleine menschliche Brücke bauen zu wollen und das große konturenlose Raubtier zu streicheln. Nun hatte er es schnappen hören; nun war er auf der Hut.
    Der Marshall jedoch war fast im selben Augenblick wieder verwandelt. Er spuckte den Tabak diskret in den Napf, brannte sich seine Ricoro frisch an und strahlte vor Leutseligkeit. »Es wird sich alles machen, mein lieber Herr Notacker«, sagte er sanft, fast vertraulich. »Nicht war, wir bilden uns ein, daß wir recht haben und Sie da drüben haben vielleicht von Ihrem Standpunktauch nicht unrecht; und so entscheidet sich's eben. Der Mann, der die dickste Haut hat und am längsten warten kann, hat am Schlusse recht. Recht haben ist ja nur eine Zeitfrage. Einstweilen tragen wir unseren Teil dazu bei, Ruhe in der Welt zu schaffen.
    »Ihre Auffassung bietet Beruhigung!«, sagte Erwin. Der Marshall fuhr fort: »Sie sind auch kein Mann, der mit militärischen Kraftleistungen und überhaupt mit Drill irgend etwas zu tun hat. Leute wie Sie führen keinen Krieg, und auch

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