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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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jetzt ist der rechte Moment, wie ein Caviandi zu gehen… der rechte Augenblick, um herauszufinden, wie sie wirklich sind.
    Sie haben sich dem Leben in Hreshs kleinem Tierpark gut angepaßt. Seine Arbeiter haben einen Teil des Bachs im Park abgezweigt, und der linke Arm fließt jetzt durch das unebene Hanggelände, das man den Caviandis als Habitat eingerichtet hat. Hinter spinnwebdünnem Gitter, das aber fest genug ist, einen Zinnobären zu bremsen, fischen die zwei sanften Geschöpfe, sonnen sich, arbeiten geduldig an einem Netz flacher unterirdischer Gänge an beiden Ufern des Wasserlaufs. Sie scheinen den Schrecken ihrer Gefangennahme überwunden zu haben. Manchmal sieht Hresh sie nebeneinander auf dem großen glatten rosa Felsen über ihrem Nest sitzen; dort starren sie dann hingerissen auf die Dächer und weißen Mauern des Wohnbezirks, der an den Park grenzt, als blickten sie zu den Palästen eines ihnen unerreichbaren Paradieses.
    Hresh hegt mittlerweile keine Zweifel mehr an ihrer Intelligenz. Doch er will die Beschaffenheit dieser Intelligenz bestimmen. Zuerst allerdings mußte er ihnen etwas Zeit lassen, sich an ihre Gefangenschaft zu gewöhnen. Sie müssen sich beruhigen, zutraulich und zugänglich werden, ehe er den Versuch irgendeines Tiefenkontakts unternimmt.
    Nun beginnt er die Annäherung. Er tritt in das Gehege und setzt sich auf einen Stein am Bach, wo er wartet, daß sie sich ihm nähern. Die beiden glatten geschmeidigen großäugigen purpurfarbenen Tiere sind gegenüber, nahe am Zaun, und stehen aufrecht, wie sie dies oft tun. Seine Anwesenheit scheint ihre Neugier zu erregen. Doch noch zögern sie.
    Stufenweise aktiviert er sein Zweitgesicht, auf geringer Energiestufe zunächst, und baut das dabei entstehende Wahrnehmungsfeld sphärisch um sich aus.
    Er fühlt die prickelnde Wärme eines Kontakts. Er spürt die Auren ihrer Seelen, vielleicht auch den Mechanismus ihres Bewußtseins. Doch er fängt nur eine dumpfe Tiefenströmung auf, ein unklares, unstetes Pulsen einer entfernten Bewußtheit.
    Behutsam stellt er die Sonde schärfer.
    Dieses Erkennen fremden Bewußtseins und Denkens ist für ihn nichts Neues. Zahlreiche Arten des Neuen Frühlings sind denkfähig, möglicherweise sogar alle. Und könnten mit ihm in Kontakt treten, vermutet er, wenn er nur lernen könnte, ihre Ausstrahlungen aufzuspüren.
    Im Lauf der Jahre hat er gelegentlich gewissermaßen mit Goldzähnen und mit Xlendis, mit Taggaboggas und Zinnobären ‚gesprochen’. Er erinnert sich an die klirrende Mentalstimme des Wasserschrittlings, wie er sich zu seiner gewaltigen Größe aufrichtete und das Stammesvolk Koshmars verhöhnte, das auf der Suche nach dem verlorenen Vengiboneeza umherirrte. Und wie er als Junge hinter einem Felsen kauerte und mit Zweitgesicht dem blutlüsternen Gesang eines Rudels von Rattenwölfen lauschte, die ein scheußliches Geheul als Sprache hatten, deren Wörter aber für ihn dennoch unmißverständlich waren: Kill – kill – Fleisch – Fleisch!
    Einmal, als der Stamm erst einige Tage aus dem Kokon aufgebrochen war, hatte er sogar mit fröstelnder Fasziniertheit das wortlose trockene Schnurren der Hirnsprache eines Hjjks gehört, der anläßlich einer zufälligen Begegnung auf einem kalten kahlen Feld den Stamm höhnisch begrüßt hatte.
    Überall in der Welt spricht Bewußtsein zu anderem Bewußtsein, ruft in der stimmlosen Sprache des Geistes ein Geschöpf dem anderen zu. Es ist nichts Ungewöhnliches. Vor langer Zeit schon hatte die Welt in ihrem Wachstum eine Entfaltungsstufe erreicht, auf der solche Fähigkeiten weitverbreitet waren. Fast alles hat eine Sprache, auch wenn einige Arten nur sehr wenig zu sagen haben, und dieses Wenige ist dann oft einfach und wenig luzide.
    Doch diese Caviandis hier – aufrecht auf den Hinterbeinen, die zarten Händchen vorgestreckt, die schnurrhaarigen Schnauzen zucken nachdenklich, die dunklen leuchtenden Augen sind warm und voll Leben… Hresh vermutet, daß sie etwas Außergewöhnliches sind und viel mehr als bloßes Getier des Feldes…
    Er hebt seinen Sensor, wodurch die von Hresh ausgehende Strahlung verstärkt wird. Sie harren aus und ziehen sich nicht zurück.
    »Ich bin Hresh«, sagt er. »Ihr habt von mir nichts zu befürchten.«
    Stille, kein Kontakt vorhanden. Dann taucht in der Stille ein wirbelnder Störungsknoten auf, wie eine winzige rote Sonne bei der Geburt im schwarzen Schild des Himmels, und nach einiger Zeit sagt das Caviandi-Weibchen

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