Der neue Frühling
seiner eingefallenen Wangen arbeitete heftig; die Augen rollten; er verkrampfte die Fäuste und grub die Ellbogen in seine dürren Flanken. Und auf einmal brach ein vollkommen verständlicher Satz aus ihm heraus: »Ich komme in Frieden und in Liebe von der Königin.«
»Also doch! Ein Gesandter, siehste!« blökte Curabayn Bangkea und grinste überheblich.
Husathirn Mueri nickte. Curabayn Bangkea wollte noch weiterschwatzen, doch Husathirn Mueri gebot ihm ungeduldig mit einem Wink Stillschweigen.
Ganz gewiß, das muß ein Kind sein, das die Hjjks aus der Wiege gestohlen haben, dachte er. Und dann mußte der arme Kleine seitdem in ihrem undurchdringlichen nördlichen Reich bei ihnen leben. Und nun haben sie ihn zurückgesandt in seine Geburts- und Heimatstadt, und er bringt uns – Yissou-mag-wissen! – was für eine Forderung von dieser Insektenkönigin.
Die Ziele der Hjjks aber waren unerforschlich, das wußte jeder. Die Botschaft jedoch, die dieser Jüngling so qualvoll zu übermitteln sich mühte, mochte vielleicht den Beginn einer neuen Phase in den instabilen Beziehungen zwischen dem VOLK und den Insektenleuten ankündigen. Husathirn Mueri, der nur einer von mehreren Stadtprinzen war und jenen Punkt im Mannesleben erreicht hatte, an dem man sich entscheiden muß, ob man nach Höherem strebt, betrachtete es als ein glückliches Omen, daß der Fremdling an einem Tag erschienen war, an dem er selber die Amtsgeschäfte führte. Gewiß würde sich daraus etlicher Vorteil für ihn ziehen lassen. Zunächst jedoch galt es, herauszufinden, was der Gesandte zu sagen versuchte.
Ihm fiel wie selbstverständlich auch sogleich der geeignete Dolmetsch ein: der berühmteste von allen je in die Stadt zurückgekehrten Gefangenen, das einzige Mädchen von edlem Blut, das je entführt worden war: Nialli Apuilana, Tochter der Taniane und des Hresh.
Wenn überhaupt jemand, dann würde sie einige Kenntnisse der Hjjk-Sprache haben. Drei Monate der Gefangenschaft bei ihnen – und erst vor wenigen Jahren. Direkt vor der Stadt hatten sie sie entführt, und es erhob sich ein großes Geschrei, und warum auch nicht – das einzige Kind des Häuptlings und des Chronisten – gestohlen von den Wanzen! Laute Weheklag erscholl, viel Unruhe entstand. Ausgedehnte Suchaktionen in der weiteren Umgebung. Aber alles blieb erfolglos. Doch Monate später war das Mädchen plötzlich zurückgekehrt, als wäre es vom Himmel gefallen. Sah verwirrt aus, wies jedoch sonst keinerlei äußerliche Anzeichen auf, daß ihr ein Schaden zugefügt worden wäre. Aber wie alle Heimkehrer aus der Hjjk-Gefangenschaft weigerte sie sich, über ihre Erlebnisse zu sprechen; und wie bei den anderen war auch ihre Persönlichkeit irgendwie verändert, und sie war viel verschlossener und stärkeren Stimmungsschwankungen unterworfen als je zuvor. Und launenhaft genug war sie auch damals schon gewesen.
Konnte er Nialli Apuilana ohne Risiko in diese Sache hineinziehen? Sie war eigenwillig, unberechenbar, eine gefährliche Verbündete. Von ihrer starken Mutter und dem geheimnisvollen Visionär von Vater trug sie ein Erbe aus vielerlei unwägbaren Unbeständigkeiten in sich. Und niemand vermochte es, sie zu lenken. Sie war nun einige Monde über ihr sechzehntes Jahr, und stürmte frei wie ein Wildbach durch die Stadt: Soweit Husathirn Mueri wußte, hatte sie nie eine Kopulation mit irgendwem zugelassen, noch angeblich jemals getvinnert, außer natürlich an ihrem Tvinnr-Tag mit der Opferfrau Boldirinthe, doch war das ja nur eine bloße Ritualhandlung, als sie dreizehn wurde, um ihren Übergang ins Weibesalter zu fixieren. Das mußten alle tun. Und genau einen Tag später hatten die Hjjks sie entführt. Es gab Leute, die behaupteten, sie sei überhaupt nicht geraubt worden, sondern ganz einfach ausgerissen, weil sie ihre erste Tvinnr-Erfahrung so verwirrt hätte. Husathirn Mueri hingegen argwöhnte andres: Sie war bei ihrer Rückkehr zu sonderbar gewesen; nein, sie hatte wohl wirklich unter den Hjjks gelebt.
Ein weiterer Faktor wog schwer in seinen Erwägungen: Er begehrte Nialli Apuilana mit einer dunklen Glut, die in seinem Innersten brannte wie die Feuer im Herzen der Welt. Er sah in ihr den Schlüssel, der ihm die Tore zur Macht in der Stadt aufschließen mußte, wenn sie, ja wenn sie nur seine Partnerin werden würde. Er hatte nicht gewagt, ihr gegenüber ein Wort darüber zu sagen, und auch sonst zu keinem. Aber vielleicht, wenn er sie heute in das Geschehen einbezog,
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