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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sagt sie zögernd. »Über – die Königin…«
    Er schaut sie ungläubig an. »Du willst wirklich mit mir über die Hjjks reden?«
    »Über die Hjjks, ja. Über das, was du über sie erfahren hast, und über das, was ich weiß. Das ist möglicherweise nicht ganz dasselbe. Du hast immer gesagt, du willst die Hjjks besser verstehen lernen. Nun, du bist nicht allein. Ich muß sie auch besser verstehen, Vater, ich auch.«
    Chevkija Aim zeigte auf ein verwittertes rauchgraues rundes Holztor am Ende einer Sackgasse direkt an der Straße der Fischhändler. Zu beiden Seiten standen heruntergekommene Geschäftshäuser mit verdreckten roten Backsteinfassaden. Husathirn Mueri war noch nie vorher in diesem Tel der Stadt gewesen. Irgendwie ein Industrieviertel und mehr als nur ein bißchen anrüchig. »Dort hinten, ganz am Ende«, sagte der Wachhauptmann. »Im Kellergeschoß. Hinter der Tür gehst du nach links und die Treppen runter.«
    »Und ich kann da so einfach reingehen? Ohne Gefahr?« fragte Husathirn Mueri. »Werden die mich nicht erkennen und in Panik geraten?«
    »Nein, Herr, das geht schon in Ordnung. Es ist nicht besonders hell da drunten. Man kann grad so Gestalten ausmachen, aber keine Gesichter erkennen. Keiner wird wissen, wer du bist.« Der gertengeschmeidige junge Beng grinste und knuffte Husathirn Mueri mit erstaunlicher Vertraulichkeit in den Arm. »Geh nur einfach rein, Herr! Los! Geh schon! Ich sag dir doch, dir passiert schon nichts.«
    Der lange schmale Raum, in dem es penetrant nach getrocknetem Fisch roch, war in der Tat sehr dunkel. Einzige Lichtquellen waren zwei schwache Glühbeerbündel an der gegenüberliegenden Wand. Dort standen an einem Tisch mit Früchten darauf und duftenden Zweigen, wahrscheinlich wohl der Altar, ein Junge und ein Mädchen.
    Husathirn Mueri kniff die Augen zusammen, sah aber in der Finsternis sonst nichts. Dann gewöhnten sich seine Augen, und er sah auf nackten schwarzen Fässern in Reihen etwa fünfzig Personen eng beisammenhocken. Sie brabbelten und sangen und stampften auch ab und zu mit den Füßen auf, in einer Art Responsorien zu den Worten, die von den Kindern am Altar kamen. Da und dort ragte ein Benghelm über die Menge, doch die meisten waren barhäuptig. Die Stimmen, die Husathirn Mueri hörte, waren grob und tief, die Stimmen von ordinärem Volk, Proletarier, Arbeiter. Husathirn Mueri verspürte erneut eine gewisse Beunruhigung. Er hatte nie viel mit Proleten zu tun gehabt. Und jetzt sie einfach so in ihrem heiligen Versammlungsort zu bespitzeln…
    »So setz dich doch!« flüsterte Chevkija Aim und stieß ihn fast heftig auf eines der Fässer in der hintersten Reihe. »Setz dich hin und hör zu! Der Junge ist Tikharein Tourb. Er ist der Priester. Die Priesterin heißt Chhia Kreun.«
    »Priester und Priesterin?«
    »So hör doch zu, Herr!«
    Er glotzte verblüfft. Er kam sich vor, als stünde er auf der Schwelle zu einer anderen Welt.
    Der Priesterknabe gab fremdartige gurgelnde Laute von sich, scheußliche zirpende, klickende Geräusche, die fast wie das Geschnarre der Hjjks klangen. Und die Gläubigen vor Husathirn Mueri respondierten mit ebensolchen bizarren Lauten. Ihn schauderte, und er bedeckte sich das Gesicht mit den Händen.
    Dann auf einmal rief der Junge mit heller klarer Stimme laut: »Die Königin ist unsre Trösterin und unsre Lust. So lehrte uns der Prophet Kundalimon, gesegnet sei sein Name.«
    »Die Königin ist unsre Trösterin und unsre Lust«, wiederholte die Gemeinde im Singsang.
    »Sie ist das Licht und der Weg.«
    »Sie ist das Licht und der Weg.«
    »… die Essenz und die Substanz…«
    »… Essenz… Substanz…«
    »Sie ist der Anfang und das Ende…«
    »… Anfang… Ende…«
    Husathirn Mueri zitterte. Beim Klang der süßen unschuldigen Knabenstimme streifte ihn ein Anflug von Entsetzen. Das Licht und der Weg? Essenz und Substanz? Was war das für ein Wahnsinn? Träumte er?
    Er fühlte ein Würgen im Hals und preßte die Hand auf den Mund. Dieser Kellerraum war fensterlos, und die Luft war heiß und stickig. Der dumpfe penetrante Gestank des salzgetrockneten Fischs aus den Fässern, der wilde Geruch verschwitzter Pelze, das starke stechende Aroma der Sippariu- und Dilifar-Zweige auf dem Altartisch… Ihm wurde übel… Ihm schwindelte im Kopf. Er verschränkte die Finger und preßte die Ellbogen fest gegen die Rippen.
    Dann kreischten sie alle wieder in lauten Hjjk-Geräuschen los, der Junge, das Mädchen und die ganze

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