Der neue Frühling
eine gewaltige Hjjk-Festung im Rücken sitzen und wären abgeschnitten, wenn wir auf das Große Nest zustoßen.«
»Einverstanden.«
»Kennst du dich gut aus mit der Anlage von Vengiboneeza?«
»Ich kenne den Ort überhaupt nicht«, antwortete Thu-Kimnibol.
»Also, Berge hier, im Norden und Osten. Hier eine Bucht. Dazwischen die Stadt, geschützt hinter Wällen. Hier unten dichtes Dschungelgebiet. Nach dem Auszug aus dem Kokon zogen wir durch diesen Dschungel. Das war vor deiner Geburt. Die Stadt ist schwer anzugreifen, doch es ist möglich. Ich schlage einen Zangenangriff vor, unter Einsatz deiner Großwelt-Waffen. Du kommst von der Seeseite heran und sorgst mit der Schleife und der Feuerschnur für Ablenkung. Inzwischen steige ich mit dem Erdfresser und dem Blasenrohr aus den Bergen hinab und lege die Stadt in Trümmer. Wenn wir rasch und gut zuschlagen, werden die gar nicht merken, was sie getroffen hat. Na, wie ist das?«
Er spürte das Problem, noch ehe Thu-Kimnibol zu sprechen begann.
»Ein guter Plan«, sagte der Riese bedächtig. »Aber die Großweltwaffen müssen in meiner Hand bleiben.«
»Was?«
»Ich kann sie nicht mit dir teilen. Ich besitze sie nur als Leihgaben und bin für sie verantwortlich. Sie dürfen nicht in fremde Hände, in niemandes Hände gelangen. Nicht einmal in die deinen, mein Freund.«
Salaman fühlte heiße Wut wie glutflüssiges Gestein durch seine Adern schießen. Feurige Reifen schraubten sich um seine Stirn. Er verspürte den Impuls, seinen Speer hochzureißen und ihn mit einem wuchtigen Stoß Thu-Kimnibol in die Eingeweide zu rammen; und es bedurfte aller seiner inneren Stärke, sich zu beherrschen.
Zitternd vor Anstrengung, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen und ruhig zu erscheinen, sagte er: »Das kommt mir aber sehr überraschend, mein Cousin.«
»Wirklich? Nun, dann bedaure ich es sehr, mein Cousin.«
»Aber wir sind Verbündete. Ich hatte geglaubt, daß Waffenbruderschaft auch bedeutet, daß man die Waffen miteinander teilt.«
»Ich verstehe dich. Aber ich bin gezwungen, diese Waffen zu schützen.«
»Aber dir ist doch gewiß klar, daß ich sie mit Sorgsamkeit behandeln würde.«
»Das würdest du ohne allen Zweifel tun«, sagte Thu-Kimnibol konziliant. »Doch falls sie dir irgendwie abhanden kämen – sagen wir, die Vengiboneezer Hjjks locken dich in einen Hinterhalt, und die Waffen gingen dabei verloren –, dann träfen Schmach und Schande allein mich, weil ich sie aus meiner Hand gegeben hätte. Nein, Gevatter, es ist unmöglich. Du sorgst für die Ablenkung, und wir zerstören Vengiboneeza von oben her. Und danach ziehen wir brüderlich und in Liebe zum NEST.«
Salaman befeuchtete sich die Lippen. Noch immer mußte er sich zur Ruhe zwingen.
»Wie du willst, Cousin«, sagte er schließlich. »Wir gehen die Stadt vom Wasser her an. Du steigst durch die Berge herab – mit deinen Waffen. Hier – meine Hand drauf!«
Thu-Kimnibol grinste befriedigt. »So sei es denn, Cousin!«
Salaman stand einige Zeit da und blickte dem riesenhaften Prinzen nach, bis dessen Gestalt in der Entfernung schrumpfte. Rasende Wut ließ den König beben, als hätte er ein Schüttelfieber. Von hinten sah Thu-Kimnibol aus wie sein Vater Harruel. Und er ist genauso widerborstig und stur, wie Harruel es war, dachte Salaman. Genauso aufgeblasen und überheblich. Und genauso gefährlich.
Biterulve trat zu ihm und sprach: »Ärger, Vater?«
»Ärger? Was denn für Ärger, Junge?«
»Ich spüre es in der Luft um dich herum.«
Salaman zuckte die Achseln. »Wir kriegen keine von den Großweltwaffen, weiter nichts. Thu-Kimnibol darf sie nicht aus der Hand geben.«
»Wir bekommen gar keine? Nicht mal eine?«
»Er sagt, er darf es nicht riskieren, sie weiterzugeben.« Salaman spuckte aus. »Götter! Ich hätte ihn auf der Stelle, wie er da stand, umbringen mögen! Er will den ganzen Ruhm als Hjjk-Töter und Sieger im Krieg für sich einheimsen – und uns schickt er nackt gegen das Ungeziefer in den Kampf.«
»Vater, es sind seine Waffen«, sagte Biterulve leise. »Wenn wir sie gefunden hätten, würden wir ihm anbieten, sie mit ihm zu teilen?«
»Aber gewiß würden wir das tun! Sind wir etwa unzivilisierte Tiere, Sohn?«
Biterulve gab darauf keine Antwort. Doch der König erkannte am Ausdruck seiner sanften Augen, daß er seine Worte mit Skepsis aufgenommen hatte, und ob er ihnen geglaubt hatte, war auch zweifelhaft.
Vater und Sohn blickten einander einen Augenblick lang
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