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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Tag um Tag, und es war eine lange ereignislose Zeit, fast als wäre man in einem traumlosen Schlaf. Zuerst ging es durch eine Zone mit seltsam abgeflachten sandfarbenen Pyramidenhügeln, dann durch ein Gebiet, das gespenstisch von Erosion befallen war und in dem brennend grellrote Felsen zu phantastischen Arkaden und Kolonnaden geformt waren; danach durch einen Landstrich voller groben Riedgrases mit hier und dort verstreut stehenden niederwüchsigen Baumstummeln und verstreuten Gruppen von dunkelgestreiften Weidetieren, wie Hresh sie nie zuvor gesehen hatte. Sie blickten nicht einmal auf, wenn er mit seinem Wagen vorüberzog.
    Bis dann eines Mittages Hresh bei der Durchquerung eines wohl noch vor kurzem wasserbedeckten Seengeländes, das aber in dieser Jahreszeit nur mehr eine zerschrundete vertrocknete, von dünnen verwehten Sand- und Staubwächten bedeckte dürre Ödnis war, eine Gestalt auf einem Zinnobären ausmachte, direkt vor ihm auf seinem Weg, jemanden aus dem VOLK. Und das war nun wahrhaftig an diesem unvertrauten Ort ein überraschender Anblick.
    Das Xlendi blieb stehen und wartete, bis die riesige rote Kreatur herangewatschelt war. Der Mann, der sie ritt, riß verblüfft Maul und Augen auf.
    »Götter! Bist das wahrhaftig du, Herr? Oder träume ich? Es muß ein Traum sein. Bestimmt.«
    Hresh lächelte. Er setzte zum Sprechen an. Er hatte seine Stimme so lange nicht mehr gebraucht, daß sie rauh und brüchig klang und nichts weiter war als ein heiseres Krächzen. – »Ich kannte dich einmal, glaube ich«, war alles, was er hervorbrachte.
    Der Reiter sprang ab und kam auf ihn zugelaufen. Er lugte über den Wagenkorb, starrte Hresh an und schüttelte verwundert den Kopf.
    »Plor Killivash, Herr. Im Haus des Wissens! Du erkennst mich nicht wieder? Ich war einer deiner Mitarbeiter, weißt du nicht mehr? Plor Killivash!«
    »Ja, dann sind wir also in – Dawinno?«
    »Dawinno, Herr? Nein! Wir sind tief in hjjkischem Gebiet Ich bin beim Heer, in der Armee deines Bruders, Thu-Kimnibol! Wir stehen schon seit Wochen im Kampf. Wir haben in Vengiboneeza gekämpft und in einigen von den kleineren Nestern…« Plor Killivashs Augen weiteten sich immer mehr. »Herr, wie bist du hierhergekommen? Du kannst doch nicht diese ganze weite Strecke allein geschafft haben? Und warum bist du gekommen? Du solltest dich wirklich nicht im Kampfgebiet aufhalten, Herr, weißt du? Herr? Hörst du mich? Fehlt dir was? Herr?«
    Thu-Kimnibol war in seinem Zelt. Das Heer lagerte am Rande eines flachen Terrains, das sie ‚Minbains Ebene’ benannt hatten. Er hatte alle charakteristischen Punkte dieser unvertrauten Gegenden mit Namen belegt: Harruels Berg, Tanianen-See, Torlyri-Fluß, Boldirinthe-Tal, Koshmar-Paß. Soweit er wußte, taufte Salaman seinerseits auf seinem Vormarsch eben dieselben Plätze auf ihm genehme Namen. Aber das kümmerte Thu-Kimnibol nicht. Für ihn waren die gewaltigen gezackten Felsberge, an denen sie vor drei Wochen vorbeigezogen waren, seines Vaters Berge, und dieses tafelflache lieblichheitere Land war eben seiner Mutter geweiht. Und sollte Salaman sich doch so viele Namen ausdenken, wie es ihm gefiel.
    Zu Nialli Apuilana sagte er: »Da! Da ist es wieder. Ich spüre, daß der König näher rückt. An der Spitze seiner Armee. Und sie kommen hierher.«
    »Ja. Ich spüre es auch. Oder doch jedenfalls irgend etwas Starkes und Wildes.«
    »Salaman! Da gibt es gar keinen Zweifel.«
    Sie legte ihm die Hand auf den mächtigen Unterarm, an dem er erst vor wenigen Tagen von einem Hjjk-Speer leicht verletzt worden war. »Du sprichst seinen Namen aus, als wäre er der Feind, nicht die Hjjks. Fürchtest du ihn denn, Geliebter?«
    Thu-Kimnibol lachte. »Salaman? Ich? Fürchten? Also, ich denke wirklich kaum je an die Person von irgendeinem, vor dem ich mich in acht nehmen muß. Aber nur ein völliger Narr würde nicht vor Salaman auf der Hut sein, Nialli. Er hat sich zu einem Ungeheuer entwickelt. Ich hab dir ja gesagt, ich bin überzeugt, daß er verrückt ist. Aber jetzt ist er völlig wahnsinnig geworden. Jedenfalls glaube ich das.«
    »Ein – Ungeheuer«, wiederholte Nialli. »Ja, aber im Kampf müssen doch alle Krieger Ungeheuer sein, oder?«
    »Aber nicht so. Ich habe ihn beobachtet, als unsere Heere zuletzt vereint kämpften. Er kämpfte nicht nur so verbissen und wild, als wollte er jeden Hjjk, der ihm in den Weg lief, niedermachen und töten, sondern als wollte er ihn auch noch am Bratspieß rösten und fressen.

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