Der neue Frühling
wußte, wenn er darauf bestand, in seine Zelle zurückzukehren, würde Nest-Denker nicht so sehr ärgerlich, sondern mit Nichtbegreifen reagieren, und Hresh würde schließlich in jedem Falle doch dorthin gehen, wohin Nest-Denker ihn führen wollte. Also folgte er ihm. Der Gang stieg leicht an. Nach einiger Zeit erblickte er das eindeutige Schimmern von Tageslicht vor ihnen. Sie strebten auf eine der oberirdischen Öffnungen des Nestes zu. Fünf oder sechs Soldaten erwarteten sie bereits. Nest-Denker überantwortete Hresh an diese und ging ohne ein Wort davon.
Zu den Kämpferinnen sagte Hresh: »Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mich jetzt zu meiner Schlafzelle bringen würdet. Ich habe eigentlich nicht gewollt, daß Nest-Denker mich hierher führen sollte.«
Die Hjjks starrten ihn ausdruckslos an, als hätte er überhaupt nicht gesprochen.
»Komm!« sagte eine Soldatin und deutete auf das Tageslicht.
Dort stand sein Reisewagen bereit und sein Xlendi, das ausgeruht und gutgefüttert wirkte. Die Schlußfolgerung war völlig klar. Er war vor die Königin gebracht worden, und SIE hatte mit ihm gesprochen, und damit hatte sich seine Nützlichkeit für die Zwecke der Königin erledigt. Und nichts anderes zählte an diesem Ort. Seine Zeit im Nest war vorüber, und nun sollte er ausgewiesen werden.
Schock und Bestürzung ließen ihn schaudern. Er wollte doch gar nicht fort. Er hatte hier ohne Mühe und glücklich gelebt, sich dem Rhythmus des Nestes angepaßt, so fremd der auch für ihn war. Er hatte hier sein Heim gefunden. Seine Heimat? Und er hatte einfach angenommen, er werde seine Tage in der stillen, süßen Wärme dieses Ortes beenden dürfen, hier bleibende Wohnstatt finden, bis dann der Zerstörer kommen und ihn zur endgültigen Ruhe führen würde (was höchstwahrscheinlich bald geschehen würde). Die Draußenwelt bot ihm mittlerweile wenig Verlockendes mehr. Er wünschte sich eigentlich nur noch, daß es ihm gestattet sein möchte, in der ihm vielleicht noch verbleibenden Zeit, so viel oder wenig es sein mochte, möglichst immer tiefer in das geheimnisvolle Leben der Hjjks eindringen zu dürfen.
»Bitte!« sagte Hresh. »Ich möchte hierbleiben.«
Er hätte genausogut zu steinernen Statuen sprechen können. Die Hjjkposten standen reglos auf ihre Speere gestützt da und starrten ihn unbeeindruckt an. Sie wirkten auch kaum irgendwie lebendig, wären da nicht die krausen Wellenbewegungen ihrer orangefarbigen Atemschläuche gewesen, die seitlich an ihren Köpfen hervorragten, deren Segmentspulen im Atemstrom pulsierten.
Das Xlendi gab einen leisen wiehernden Begrüßungs-laut von sich. Es hatte seine Befehle erhalten und drängte jetzt vorwärts.
»Aber versteht ihr denn nicht«, erklärte Hresh den Hjjks. »Ich will nicht von hier fortgehen.«
Schweigen.
»Ich beantrage Asyl und Schutz bei euch.«
Schweigen – eisig – undurchdringlich.
»Im Namen der Königin bitte ich euch…«
Dies löste immerhin eine Reaktion aus. Die beiden Hresh am nächsten stehenden Hjjks richteten sich steif auf, und ein Blitzen, das möglicherweise Verärgerung ausdrückte, glitt rasch über die großen Facettenaugen. Sie hoben die Speere und streckten sie waagerecht vor sich aus, als wollten sie Hresh mit ihnen hinaustreiben.
Eine tonlose Stimme sprach: »Die Königin hat den Wunsch, daß du nun deine Pilgerfahrt fortsetzest. Also – im Namen der Königin, geh! Hau endlich ab!«
Hresh begriff, jeder weitere Appellationsversuch war zum Scheitern verurteilt. Die Posten starrten ihn unerbittlich eisig an. Die waagerecht ausgerichteten Speere bildeten eine Gasse und sperrten ihn unüberwindlich und endgültig aus dem Nest aus.
»Ja, dann also«, sagte er. »Na schön.«
Er hangelte sich in den Reisewagen. Und das Xlendi zog sofort an und lief fast galoppierend auf die kahle graue Ebene hinaus. Das bestürzte ihn. Das Tier war auf der Fahrt von Dawinno herauf doch so ganz gemächlich gezottelt. Aber wahrscheinlich, vermutete er, lenkt irgendeine Kraft aus dem Nest das Xlendi, ja treibt es sogar voran. Und er hatte auch eine recht gute Vorstellung davon, was für eine Kraft das war. Also setzte er sich gelassen zurecht und ließ den Wagen laufen, und als das Xlendi anhielt, um zu trinken und zu grasen, trank auch er ein Schlückchen Wasser und aß einen Happen von dem Trockenfleisch, das die Hjjks ihm in den Wagen gelegt hatten, und dann wartete er geduldig, daß die Fahrt sich fortsetze. Und so ging es dann weiter,
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