Der neue Geist von Pao
Vokabular festgesetzt werden. Lehrer, die die Sprache unterrichten, müssen gefunden werden. Ich werde meine Söhne dafür nehmen. Eine weitere Gruppe muß zusammengestellt oder besser, vielleicht, aus der ersten Gruppe ausgewählt werden: ein Elitekorps von Koordinatoren, die jede der neuen Sprachen beherrschen müssen. Dieses Korps wird schließlich eine leitende Funktion übernehmen, um Ihren gegenwärtigen Verwaltungsapparat zu unterstützten.«
Bustamonte blies die Wangen auf. »Nun – möglich. Doch so weitgreifende Aufgaben für diese Gruppe scheinen mir unnötig. Es genügt, daß wir eine Streitmacht aufbauen, mit der wir Eban Buzbek und seine Banditen niederhauen!«
Er sprang auf und marschierte aufgeregt hin und her. Plötzlich blieb er vor Palafox stehen und blickte ihn scharf an. »Erst muß ich jedoch den Preis für Ihre Dienste wissen.«
»Sechs Brut Frauen pro Monat«, erwiderte Palafox ruhig. »Und zwar von überdurchschnittlicher Intelligenz, angenehmem Äußeren und einwandfreier Gesundheit. Sie dürfen nicht jünger als vierzehn und nicht älter als vierundzwanzig sein. Ihr vertraglich festgelegter Aufenthalt auf Breakness wird auf keinen Fall fünfzehn Jahre überschreiten. Ihre standesgemäße Rückkehr mit allen Töchtern und den nicht den Erwartungen entsprechenden Söhnen wird garantiert.«
Bustamonte grinste unwillkürlich. »Sechs Brut? Ist das nicht ein wenig viel?«
Palafox bedachte ihn mit einem ungnädigen Blick. Bustamonte sah seine Unbedachtsamkeit ein und fügte hastig hinzu: »Ich bin jedenfalls mit dieser Zahl einverstanden. Dafür geben Sie mir aber meinen geliebten Neffen zurück, damit ihm eine passende Ausbildung zuteil werden kann.«
»Braucht er die auf dem Grund des Meeres?«
»Wir müssen die Gegebenheiten in Betracht ziehen«, murmelte Bustamonte.
»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, erwiderte Palafox mit ausdrucksloser Stimme. »Und die Gegebenheiten verlangen, daß Beran Panasper, der Panarch von Pao, seine Erziehung und Ausbildung auf Breakness beendet.«
Bustamonte protestierte wütend und lautstark. Palafox konterte schroff, blieb jedoch ruhig. Bustamonte gab schließlich nach und erklärte sich mit den Bedingungen des Vertrags einverstanden, der sofort auf Band aufgenommen wurde. Die beiden Männer trennten sich, wenn auch nicht freundschaftlich, so doch jeder zumindest mit dem Handel zufrieden.
10.
Die Winter auf Breakness waren kalt und ungemütlich, mit Hagelstürmen, die gegen Mauern und Felsen peitschten. Fünfmal kam und verging diese trostlose Jahreszeit, und Beran Panasper erhielt seine Grundausbildung auf Breakness.
Die ersten beiden Jahre lebte er in Palafoxs Haus, und er mußte den größten Teil der Zeit und seiner Energie dem Erlernen der Sprache widmen. Sie unterschied sich grundlegend von Paonesisch. Die Syntax hing völlig vom Sprecher ab – ein System, das sowohl für logische Eleganz, als auch Einfachheit sorgte. Da das Selbst die unbeschränkte Ausdrucksgrundlage war, war das Pronomen »ich« unnötig. Es gab auch keine anderen persönlichen Fürwörter, außer bei Anreden in der dritten Person – obgleich es sich hier gewöhnlich um Zusammenziehungen von Hauptwörtern handelte. Die Sprache enthielt keine Negationen, dafür gab es zahlreiche Polaritäten wie »gehen« und »bleiben«. Es gab kein Passiv – jede verbale Aussage war in sich abgeschlossen: »schlagen«, »Schlag bekommen«. Die Sprache war reich an Worten für intellektuelle Manipulation, doch mangelte es ihr fast ganz an Ausdrücken für Gefühlsregungen. Sollte ein Breaknesser tatsächlich einmal das Bedürfnis empfinden, seine solipsistische Schale zu durchbrechen und seine Gefühle zu gestehen, war er zu langwierigen Umschreibungen gezwungen.
So alltägliche paonesische Begriffe wie »Ärger«, »Freude«, »Liebe«, »Leid«, gab es im breaknessischen Wortschatz nicht. Andererseits existierten Wörter, um hundert verschiedene Arten von Vernunftschlüssen auszudrücken, Feinheiten, die im Paonesischen unbekannt waren – Unterschiede, die Beran so sehr verwirrten, daß hin und wieder sein seelisches Gleichgewicht völlig erschüttert war. Woche um Woche erklärte Fanchiel sie ihm, beschrieb sie ihm bildhaft, paukte sie ihm ein. Und nach und nach verstand Beran die so ungewohnte Art zu denken – und gleichzeitig die breaknessische Lebensanschauung.
Eines Tages rief Palafox ihn zu sich und bemerkte, daß seine Sprachkenntnisse für eine Ausbildung im Institut
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