Der neue Geist von Pao
zu benutzen: ihr seid die Kugellager der paonesischen Maschinerie. Ohne eure Unterstützung könnte der neue Gesellschaftsmechanismus auf Pao nicht funktionieren.«
Er machte eine kurze Pause und ließ den Blick über seine Zuhörer schweifen. Wieder duckte Beran sich hinter seinem Vordermann.
»Ich habe viele Theorien über Panarch Bustamontes Neueinführungen gehört. Die meisten davon gingen aber an der Wirklichkeit vorbei. Die Tatsachen sind simpel und in ihrem Umfang doch grandios. In der Vergangenheit war die paonesische Gesellschaft ein einheitlicher Organismus mit Schwächen, die unweigerlich Räuber und Schmarotzer anlockten. Die neue Diversifikation bietet Stärke in jeder Hinsicht und schützt die Bereiche früherer Schwächen. Das ist unser Ziel. Doch inwieweit wir Erfolg haben werden, kann nur die Zukunft zeigen. Ihr Linguisten werdet in hohem Maß zu diesem Ziel beitragen. Ihr müßt euch in Flexibilität üben. Ihr müßt die Eigenarten jeder der neuen paonesischen Gesellschaftsformen verstehen lernen, denn es wird eure Hauptaufgabe sein, widersprüchliche Interpretationen auf einen Nenner zu bringen. Euer Wirken wird in hohem Maße die Zukunft Paos bestimmen.«
Er verbeugte sich und marschierte zur Tür. Beran beobachtete sein Näherkommen mit klopfendem Herzen. In Armlänge schritt der Dominie an ihm vorbei. Nur mit größter Willensanstrengung hielt Beran sich zurück, das Gesicht hinter den Händen zu verstecken. Palafox drehte den Kopf nicht. Ohne den Schritt zu verzögern, verließ er den Raum.
Am nächsten Tag fuhr die Klasse mit dem Luftbus zum Flughafen. Die Linguisten reihten sich vor dem Ausreisepult auf. Sie nannten ihre Namen, gaben ihre Paßbücher ab, erhielten Flugkarten, gingen durch das Tor und stiegen in die wartende Raumfähre.
Innerlich zitternd schob Beran auch sein Paßbuch über das Pult. Der junge Mann hakte den Namen Ercole Paraio ab und gab ihm die Karte. Ohne den Kopf zu heben, schritt Beran durch das Tor, voll Angst, dem höhnischen Blick Lord Palafoxs zu begegnen. Aber ohne Zwischenfall erreichte er die Fähre und danach das Raumschiff, das sie zurück nach Pao brachte.
13.
Immer noch quälten Beran heimliche Ängste. Was, wenn Palafox sein Fehlen inzwischen bemerkt, wenn er sich mit Bustamonte in Verbindung gesetzt hatte? Dann würde ihn jetzt eine ganze Abteilung Mamaronen erwarten und sofort zur Subaquäation ans Meer schleppen.
Ja, diese Befürchtungen schienen nicht nur logisch, sondern sehr wahrscheinlich. Während die anderen Linguisten in einen alten paonesischen Triumphgesang ausbrachen, den sie aus Übermut auf Pastiche übersetzt hatten, ging Beran mit bleichem Gesicht von Bord.
Beran blickte sich heimlich um. Niemand erwartete sie außer dem üblichen Raumhafenpersonal. Er stieß einen erleichterten Seufzer aus. Es war früher Nachmittag, vereinzelte Schäfchenwolken schwebten über einen blauen Himmel. Die Sonne schien warm herab. Beran fühlte sich glücklich wie nie zuvor.
Er musterte die Gesichter seiner Kameraden. Ich habe mich verändert, dachte er. Palafoxs Einfluß hat seine Spuren hinterlassen. Ich liebe Pao, aber ich bin kein Paonese mehr. Breakness hat mich geprägt. Nie wieder kann ich voll und ganz ein Teil dieser – oder einer anderen – Welt sein. Ich bin enteignet, ich bin ein Pastiche!
Beran trennte sich von den anderen und ging zum Tor. Er blickte die schattige Allee entlang, die nach Eiljanre führte. Er brauchte ihr nur zu folgen, niemand würde ihn aufhalten.
Aber wohin sollte er gehen? Wenn er sich im Palast zeigte, würde man kurzen Prozeß mit ihm machen. Und Felder zu pflügen, Fischernetze auszuwerfen oder Lasten zu tragen, dazu hatte er wirklich keine Lust. Nachdenklich kehrte er zu seinen Kameraden zurück.
Das offizielle Begrüßungskomitee traf kurz darauf ein. Nach einer Ansprache und lobender Anerkennung brachte ein Bus die neugebackenen Linguisten zu ihrer Unterkunft.
Beran ließ keinen Blick von den Straßen, durch die sie fuhren. Er fand nur die übliche paonesische Ruhe vor. Sicher, das hier war Eiljanre, es waren nicht die neubesiedelten Gebiete von Shraimand oder Vidamand. Erst als sie an den ausgedehnten Grünanlagen vorbeikamen, in denen die Gärtner ein riesiges Blumenporträt Bustamontes angeordnet hatten, bemerkte er ein Zeichen der Unzufriedenheit – ein kleines Zeichen, das jedoch viel aussagte, denn die Paonesen geben selten ihren politischen Gefühlen Ausdruck: das Blumengesicht
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