Der Neue im Sportinternat
einen gewissen David?«
»Nie gehört! Wer soll das sein?«
»Weiß nicht. Hab den Namen irgendwo aufgeschnappt. Dachte, er wäre n Internatsschüler.«
»Einen David kenne ich nicht. Wieso fragst du eigentlich?«
»Nur so.« Leon spinnt seine Gedanken weiter. Wenn David kein Internatsschüler ist, dann muss er zwangsläufig einer der Spitzensportler sein, die in den Wohnräumen im Neubau untergebracht sind und dort auch trainieren. Allerdings besteht ebenso die Möglichkeit, dass er von außerhalb stammt. Er könnte jemand aus Fronberg sein, der sich nachts zum Schloss schleicht, um es mit Maurice zu treiben. Leon will es mit Mateo bei Chocco versuchen. Vielleicht weiß Chocco mehr über ihn. »Der Hausmeister vom Schloss is' total stränge. Wie heißt dieser Typ noch?«
»Mateo!«
»Ja, genau. Hätte nicht gedacht, dass n Skin bei uns Hausmeister is'. Komisch, oder?« »Mateo ist kein Skinhead!«
»Hast du was mit den Augen? Er rasiert seinen Schädel blank, trägt Springerstiefel und rennt mit 'nem Baseballschläger durch die Gegend. Der nette, junge Mann von nebenan sieht anders aus!«
»Baseballschläger? Woher willst du das wissen?« Chocco legt den Zeichenblock und die Stifte weg, setzt sich zu Leon aufs Bett und überkreuzt die Füße. »Klingt, als würde ein Klischee >Guten Tag!< sagen, findest du nicht?«
»Was is' denn mit dir los? Haste etwa in deiner ganzen Verdrehtheit und dem Ich-will- ein— richtiger- Junge-sein-Hirngespinst n krassen Realitätsverlust erlitten? Das gehört sofort therapiert und unter Beobachtung gestellt, klar?«
»Reg dich ab, bevor du einen Herzanfall kriegst!« Chocco wippt mit seinen Füßen und kann die Aufregung um Mateo nicht verstehen. »Mateo ist kein Skin!«
»Und mein Alter ist Vater des Monats, wie?«
»Aber Leon, glaube mir, Mateo ist in Ordnung. Der ist echt okay!«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich habe mich mal mit ihm unterhalten.«
»Du hast was?«
»Mich mit ihm unterhalten!«, wiederholt Chocco. »Auf mein Bauchgefühl kann ich mich verlassen. Mateo ist kein Rechter! Frage mich nicht, weshalb er ausgerechnet diese Optik für sich gewählt hat. Ohne Springerstiefel sieht er gleich ganz anders aus!«
»Wie war das noch mit deinen XY-Chromosomen?! Ich schnall ab!«
»Du wirst schon noch sehen, dass du dich irrst!« Chocco bleibt bei seiner Meinung hinsichtlich Mateos politischer Denke.
»Und wieso hatte er einen Baseballschläger in der Hand, als ich ihn gesehen habe?«
»Weil er keinen Waffenschein für eine Magnum besitzt?«, scherzt Chocco und zieht die Augenbrauen hoch. »Wann ist dir Mateo überhaupt übern Weg gelaufen?«
»Vergiss es!« Leon will das Thema beenden, damit Chocco nicht weitere Frage stellt. Das könnte nämlich zum Bumerang werden! Leon schaut zum Wecker. Kurz vor sieben. »Komm, lass uns in den Speisesaal gehen!«, sagt er zu Chocco und steht vom Bett auf.
»Irgendwas beschäftigt dich!« Chocco bleibt auf dem Bett sitzen und betrachtet Leon mit Argusaugen.
»Ach ja, was du nicht sagst!«
»Was fuhrst du im Schilde, edler Ritter?«, scherzt Chocco. »So gut kenne ich dich ...«
»Stress nicht und komm jetzt. Los!«
Chocco springt vom Bett, geht zur Tür und überholt dabei Leon. Er schnappt mit dem Mittelfinger und Daumen, was in dem Moment wie ein >Bevor ich es vergesse< wirkt. Chocco dreht sich abrupt um, sieht in Leons Augen und zischt mit ungewöhnlich herbem Tonfall: »Solltest du noch einmal auf meinen XY-Chromosomen rumreiten, dann wird das hässlich für dich werden! Du bist nämlich nicht der Einzige, der sich nicht unterkriegen lassen will, verstanden! Und ich bin keineswegs verblendet. Mit Rechten habe ich nichts am Hut, Mister Ich-habe-den-Durchblick! Aber ich leih mir gern Mateos Baseballschläger, wenn du das nächste Mal so fies zu mir bist. Okay?«
»Der Punkt geht an dich!«, zollt Leon Chocco Respekt.
»Na gut. Nachdem das geklärt ist, lass mich nachfragen: Sind wir noch Freunde?«
»Wenn nicht wir, wer dann?!« Leon reicht Chocco die Hand.
Chocco ergreift Leons Hand. »Wenn du was auf dem Herzen hast - ich kann gut zuhören!«
Leon lächelt Chocco an. Er muss einsehen, dass er sich über Choccos Bauchgefühl nicht mehr lustig machen sollte. Durch sein Einfühlungsvermögen bekommt Chocco offensichtlich intuitiv vieles mit, was nicht unbedingt logisch zu greifen ist. Ratio ist eben nicht alles! Chocco ist so was wie ein emotionaler Scanner. Nichtsdestoweniger bleibt Leon bei seiner
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