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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Verräter«, protestierte der Junge. »Ich bin Russland treu. Ich diene dem russischen Volk.«
    »Schreiben Sie ›Verräter‹.« Der General hielt kurz inne und schaute den Jungen an.
    »Haben Sie noch etwas zu sagen?«
    Der Junge schwieg. Er zitterte und brauchte alle Kraft, um Selbstbeherrschung zu zeigen. Das Licht verließ die Welt. Imnächsten Augenblick würde er den Tag schwinden sehen. Plötzlich wollte er so sehr die letzten Sonnenstrahlen erleben. Es war ihm unerträglich, dass eine Kugel sie auslöschen sollte. Aber er brachte kein Wort über die Lippen, nicht einmal die Bitte nach einer weiteren Minute Tageslicht.
    »Gut«, sagte der General. Manch einer nahm die Gelegenheit für ein letztes Wort, andere nicht. Das machte für ihn keinen Unterschied. Ihm und seinen Männern war es gleich.
    »Im Namen von Prinzessin Anastasia, Zarin aller Russen, im Namen seiner Heiligkeit Tichon, Patriarch unserer Heiligen Mutter Kirche, im Namen von Baron Robert von Ungern-Sternberg, Beschützer von Chalka und Oberbefehlshaber der russischen Truppen im Osten, verurteile ich Sie, Juri Nikolajewitsch Araktschejew, zum Tode. Möge Gott Ihrer Seele gnädig sein.«
    Er hielt dem Jungen die Pistole an den zitternden Kopf. Der hatte die Augen weit geöffnet und starrte in das vergehende Sonnenlicht. Der General drückte ab, und der Junge fiel rückwärts auf den Leichenberg. Der Schütze beugte sich über ihn, sah, dass er sich noch bewegte, und schoss noch einmal. Da lag der Junge still. Es wurde langsam dunkel.
    »Fackeln anzünden!«, rief der General.
    Im nächsten Moment flackerten überall in der Runde Lichter auf. Jeder zweite Mann hielt eine Fackel hoch. Die Flammen erleuchteten die weißen Uniformen und die langen Bajonette. In der Mitte der Lichtung hoben sie für einen Moment einzelne Arme, Beine und Köpfe ins Licht, bevor diese wieder in der erbarmungslosen Dunkelheit versanken.
    Wie gelähmt starrte Christopher auf das Schauspiel. Wer war hier sein Feind? Das wollte er wissen.
    Das Töten ging weiter. Einer nach dem anderen wurdendie Gefangenen vorgeführt, befragt und ausnahmslos hingerichtet, meist mit zwei kurz aufeinanderfolgenden Schüssen. Wieder und wieder lief derselbe Alptraum ab.
    Als Letzter kam ein hagerer, gebeugter Mann mit Nickelbrille an die Reihe, ein Kommissar der Tscheka, den sie zusammen mit der gerade hingerichteten Einheit gefangengenommen hatten. Die anderen waren Soldaten, aber dieser, so meinte Christopher, war ein echter Revolutionär. Ein Soldat leuchtete ihm mit der Fackel in das blasse, abgehärmte Gesicht.
    Bevor der General sein Todesurteil sprechen konnte, streckte der Mann eine Hand aus. Die Geste und der feste Blick, mit dem er seinen Henker fixierte, besagten eindeutig, der möge ihm die Pistole reichen. Eine Minute verging, zwei Minuten. Niemand sagte ein Wort. Es war klar, was der Gefangene wollte. Schließlich willigte der General ein.
    Mit seiner unverletzten Hand leerte er das Magazin des Revolvers bis auf eine einzige Kugel. Er schloss es wieder und reichte dem Kommissar die Waffe. Trotz ihrer ideologischen Gegnerschaft verstanden sie einander. Die Männer, die die Lichtung umstanden, hoben die Gewehre und zielten auf den Gefangenen.
    Aber der plante keine Flucht. Langsam und konzentriert hob er die Waffe an seinen Kopf, ohne den kleinen General dabei aus den Augen zu lassen. Tiefe Verachtung malte sich auf seinem Gesicht – weniger darüber, was der General und seine Männer hier angerichtet hatten, sondern darüber, was sie waren oder was aus ihnen geworden war.
    Christopher in seinem Versteck empfand den Abscheu dieses Mannes als mächtigen Schlag. Im moralischen Sinne hatte er sich seinen Gegnern bereits entzogen. Er hielt keine Rede und sagte ihnen auch keine Vergeltung voraus. Man brauchte ihn nur anzuschauen, um zu wissen, dass die Weißenbesiegt waren. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Er presste die Pistole fest gegen seine Schläfe, damit sie nicht abglitt. Eine einzige Bewegung, und alles würde vorbei sein. Er drückte ab, und die Pistole fiel zu Boden.
    Das Schweigen, das dann folgte, wog schwer. Was immer dieses Tagewerk den Männern gegeben haben mochte, welchen Triumph sie dabei empfanden, auf so geordnete Weise Tod zu verbreiten – all das war mit der Geste eines einzigen Mannes dahin. Der General bückte sich und hob seine Pistole auf. Als er sie wieder in das Futteral steckte, zitterte seine Hand.
    Christopher stand langsam auf, den Blick immer

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