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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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begann aber erst vor der Stadt Gyantse. Tibetische Truppen mit Vorderladern und Breitschwertern, die britische Kugeln mit Amuletten ablenken wollten, stürzten sich in den Kampf gegen Soldaten, die mit modernen Karabinern und Maschinengewehren bewaffnet waren. Das Massaker, das dann folgte, würde Christopher wohl sein Leben lang nicht vergessen. Nach vier Minuten lagen siebenhundert Tibeter tot auf dem Schlachtfeld, und Dutzende weitere schrien vor Schmerz. Das Expeditionskorpsnahm Gyantse ein und zog, ohne auf Widerstand zu stoßen, weiter nach Lhasa. Dort traf es im August 1904 ein. Der Dalai Lama war bereits nach Urga in der Mongolei geflohen, um beim dortigen Lebenden Buddha Zuflucht zu suchen. In seiner Abwesenheit wurde der Regent gezwungen, zu sehr nachteiligen Bedingungen mit Großbritannien einen Friedensvertrag zu unterschreiben.
    »Kann mich nicht an Sie erinnern«, sagte Norbhu Dzasa.
    »Ich war damals viel jünger«, antwortete Christopher, »und von niedrigem Rang. Man hat uns einander bestimmt nicht vorgestellt.«
    Norbhu Dzasa seufzte.
    »Auch ich damals junger Mann«, erklärte er. Ihre Blicke kreuzten sich, aber der Tsong-chi gab nichts preis. Das hatte er nach seinem Verständnis an diesem Ort zu tun: Nichts preiszugeben. Das beherrschte er gut.
    Kurz danach kam der Tee. Er wurde in Tassen aus Jade mit silbernen Ornamenten serviert. Norbhus Diener hatte ihn in der Küche aus einem Stück halbfermentiertem Teeziegel aus der Provinz Yunnan gebrüht und in einem hölzernen Gefäß mit Salz, Soda aus Holzasche und Dri -Butter verrührt. Das Gebräu war eher eine Suppe als Tee, aber die Tibeter tranken es in riesigen Mengen. Vierzig bis fünfzig Tassen am Tag waren keine Seltenheit. Als Christopher sah, wie Norbhu Dzasa die erste Tasse auf einen Zug leerte, wusste er sofort, dass er selbst für tibetische Verhältnisse einen Rekordtrinker vor sich hatte.
    Norbhu war seit sieben Jahren Tsong-chi in Kalimpong, und es ging ihm offenbar sehr gut dabei. Er konnte es sich leisten, eimerweise Tee zu trinken, wenn er es wollte. Am meisten fürchtete er, zu früh nach Lhasa zurückberufen zu werden, bevor er genügend Rupien beiseitegebracht hatte, um sich selbst, aber vor allem seinen Kindern, eine Zukunftin Wohlstand zu sichern. Er war nun schon über sechzig, was er allerdings selbst nicht genau wusste. Seine Mutter meinte, er sei im Jahr der Feuerschlange im Vierzehnten Zyklus geboren. Dann musste er nun dreiundsechzig Jahre alt sein. Sein Vater hatte aber mit gleicher Bestimmtheit erklärt, seine Geburt falle in das Jahr des Holzhasen, was ihn zwei Jahre älter machte.
    »Was kann ich für Sie tun, Wylam-la?«, fragte der kleine Tsong-chi und goss sich eine zweite Tasse des dickflüssigen, rosafarbenen Getränks ein.
    Christopher zögerte. Die Erwähnung des Younghusband-Feldzuges war wohl ein schlechter Auftakt gewesen. Am Ende hatten sich die Briten den Respekt der Tibeter erworben, denn sie plünderten keine Tempel, vergewaltigten keine Frauen und zogen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder ab. Aber die Erinnerung an die siebenhundert Toten und das Gefühl, angreifbar zu sein, das die britischen Truppen hinterlassen hatten, war offenbar immer noch sehr lebendig.
    Christopher hatte das Problem, dass er den wirklichen Grund für seinen Besuch nicht nennen konnte. Es gab jede Menge Hinweise darauf, dass der mongolische Agent Mishig mit Tsewong zusammengetroffen sein musste. Es konnte aber auch sein, dass der tibetische Tsong-chi damit zu tun hatte. Nach allem, was man bisher wusste, konnte er die Person sein, die Samjatins Botschaft an den Mongolen weitergab. Die Residenz des Tsong-chi lag zwischen den Bergen und dem Ort, wo man Tsewong gefunden haben wollte. Der Mönch konnte Norbhu Dzasa aufgesucht haben, bevor er seine Reise fortsetzte, die so verhängnisvoll endete.
    »Es ist nur ein kleiner Gefallen«, sagte Christopher. »Vielleicht werden Sie mich für sentimental halten. Aus meinem Schreiben können Sie ersehen, dass ich Geschäftsmann bin.Ich habe hier in Kalimpong mit Mr. Frazer zu tun. Ich kenne ihn seit Jahren aus meiner Zeit in Patna. Er weiß von einer Sache, die damals mit meinem Sohn William passiert ist. Auf dem Weg nach Aurangabad kamen William und ich durch Bodh Gaya. Damals lebten wir in Patna, das sagte ich schon. Meine Frau war noch am Leben.« Mit dieser Mischung aus Fakten und Fiktion wollte Christopher bei dem Tsong-chi überzeugender wirken.
    »William wurde krank«,

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