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Der neutrale Planet

Der neutrale Planet

Titel: Der neutrale Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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habe er Devalls Gedanken gelesen, und ging.
    Fünf Minuten später schaute der Colonel zum Fenster hinaus und sah die feierliche Prozession der fremden Wesen das Gelände verlassen. In ihrer Mitte, ohne Protest, befand sich Leonards. Er schaute sich nicht um, und Devall war froh darüber.
    Der Colonel blickte lange auf die Bücherrücken, die zerfransten Spulen, die ihn von Welt zu Welt begleitet hatten, vom grauen Daneion zum stürmischen Lurrin zum knochentrockenen Korvel, und weiter nach Hegarth, M’Qualt und anderen, und jetzt zum warmen Markin mit seinem blauen Himmel. Er schüttelte den Kopf, drehte sich um und ließ sich in den Schaumsessel sinken.
    Er schaltete mit einer heftigen Bewegung den Diktaschreiber ein und diktierte einen ausführlichen Bericht über sein Vorgehen, vom Anfang bis zu seiner Entscheidung, und lächelte bitter; es gab eine gewisse Verzögerung, aber bald würde der Diktaschreiber im Keller des Gebäudes in Rio de Janeiro anfangen zu rattern, und Thornton würde wissen, was Devall getan hatte.
    Und Thornton würde in Zukunft nach dieser Maxime handeln müssen.
    Devall schaltete die Sprechanlage ein und sagte: »Ich will unter keinen Umständen gestört werden. Wenn etwas dringend ist, soll sich Major Grey damit befassen; er ist bis zu einer gegenteiligen Anweisung amtierender Leiter des Stützpunkts. Und wenn Nachrichten von der Erde kommen, soll auch Grey sie bekommen.«
    Er fragte sich, ob man ihn sofort seines Postens entheben oder warten würde, bis er auf die Erde zurückkam. Wahrscheinlich letzteres; Thornton besaß ein wenig Taktgefühl. Aber eine Untersuchung würde es mit Bestimmtheit geben, und irgendein Kopf mußte rollen.
    Devall zuckte die Achseln und lehnte sich zurück. Ich habe das Richtige getan, sagte er sich entschieden. Das ist das, was feststeht.
    Aber ich hoffe nur, daß ich nie wieder vor meine Schwester treten muß.
    Nach einer Weile döste er mit halb offenen Augen, die sich immer mehr schlossen. Der Schlaf übermannte ihn, und er hieß ihn willkommen, weil er todmüde war.
    Plötzlich weckte ihn lautes Geschrei. Ein Jubelruf aus einem Dutzend Kehlen zugleich, der durch die Luft gellte. Devall fand sich einen Augenblick lang nicht zurecht, dann war er plötzlich hellwach und stürzte zum Fenster.
    Eine Gestalt – allein und zu Fuß – kam durch das offene Tor herein. Sie trug Uniform, die an mehreren Stellen zerfetzt und völlig durchnäßt war. Das blonde Haar klebte am Schädel, als sei der Mann beim Schwimmen gewesen; er wirkte erschöpft.
    Leonards.
    Der Colonel war schon halb durch die Tür, als er bemerkte, daß er nicht ordentlich angezogen war. Er korrigierte das und marschierte mit stählerner Würde hinaus.
    Leonards stand in einem Knäuel von Offizieren und Mannschaft. Er grinste müde.
    »Achtung!« rief Devall, und es wurde augenblicklich still. Er trat vor.
    Leonards hob erschöpft den Arm zum militärischen Gruß. Devall bemerkte, daß er ein paar große Blutergüsse hatte.
    »Ich bin zurück, Colonel.«
    »Das sehe ich. Sie wissen, daß ich Sie trotzdem zurückschicken muß, ohne Rücksicht auf ihre zweifellos wagemutige Flucht.«
    Der Junge lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Nein, Sir. Sie verstehen nicht. Der Prozeß ist vorbei. Ich bin freigesprochen worden.«
    »Was?«
    »Es war ein Prozeß mit Wasserprobe. Sie beteten etwa eine halbe Stunde lang, dann kippten sie mich in den See vorne an der Straße. Die beiden Brüder des Toten sprangen hinein und versuchten mich zu ertränken, aber ich schwamm schneller und kam sicher auf der anderen Seite heraus.« Er schüttelte den Kopf wie ein tropfnasser Hund, daß die Tropfen spritzten. »Einmal hätten sie mich fast erwischt. Aber als ich lebend ans andere Ufer kam, bewies das für sie, daß ich es nicht böse gemeint haben kann. Sie erklärten mich für unschuldig, entschuldigten sich und ließen mich frei. Sie beteten noch, als ich ging.«
    Leonards schien keine Bitterkeit zu empfinden; anscheinend hatte er den Grund für seine Auslieferung verstanden, dachte Devall, und würde sie ihm nicht nachtragen. Das war gut.
    »Gehen Sie lieber in Ihre Unterkunft und trocknen Sie sich ab, Leutnant. Dann kommen Sie in mein Büro. Ich möchte mit Ihnen reden.«
    »Ja, Sir.«
    Devall drehte sich auf dem Absatz um und ging durch die Lichtung zu seinem Büro. Er warf die Tür hinter sich zu und schaltete den Diktaschreiber ein. Der Bericht für die Erde mußte korrigiert werden.
    Kurz nachdem er fertig

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