Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
ja toll!«, sagt Priti. »Normalerweise ist das Spannendste auf dieser Straße der Lieferwagen vom Supermarkt. He, glaubt ihr, euer Opa hat eine heiße Affäre?«
»Halt die Klappe«, sagt Jed.
»He, bloß keine Altersdiskriminierung! Auch ältere Menschen haben Liebschaften«, erwidert sie.
»Halt die Klappe«, sage ich.
»Wie bitte?« Priti dreht sich um und sieht uns beide an. »Was ist mit euch beiden?«, fragt sie Jed. »Und was guckst du so komisch?«
Die Frau ruft jetzt lauter: halb schreit, halb weint sie. »Ich habe das Recht, ihn zu sehen! Ich habe einen Gerichtsbeschluss. Bitte lasst mich zu ihm.«
»Wovon redet sie denn da?«, fragt Priti.
»Mach endlich das Fenster zu«, sagt Jed.
»Wieso, das ist doch klasse! Meint ihr, ich soll rausrufen und ihr sagen, dass sie nicht da sind?«
»Mach das Fenster zu«, wiederholt Jed. Sein Gesicht ist so bleich, dass man glauben könnte, es wäre überhaupt kein Blut mehr drin.
»Bitte! Bitte! Das müsst ihr doch verstehen!«, ruft Jeds Mum. »Ich muss ihn sehen. Ich muss ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe!«
»Wer hätte gedacht, dass noch irgendeine auf euren Opa steht? Sie ist sogar hübsch und viel jünger als er! So ein geiler alter Bock!«
»Mach das Fenster zu, Priti«, sage ich, aber sie lehnt sich noch immer heraus, und weder Jed noch ich kommen an den Griff.
»Was habt ihr beide heute nur?«
Da stürzt sich Jed auf sie, und eine Sekunde lang habe ich Angst, sie fällt aus dem Fenster. Doch er schiebt sie nur zur Seite, packt den Griff und knallt das Fenster zu. Priti fällt auf das Bett darunter.
»Was soll denn das? Willst du mich umbringen und dabei auch noch das Fenster einschmeißen?«, brüllt sie.
»Macht die Vorhänge zu«, sagt Jed. Ich sehe, dass seine Hände zittern. Ich springe auf und ziehe die Vorhänge vor das Fenster.
»Warum sollen wir die Vorhänge zumachen?«, fragt Priti. »Was ist denn los?«
»Weil sie mich nicht sehen soll«, antwortet Jed.
»Warum? Was ist denn los? Wer ist das denn?«
»Sag mal, wie begriffsstutzig bist du eigentlich?«, erwidert Jed.
Priti sieht mich verwirrt an.
»Das ist Tante Karen«, erkläre ich ihr leise. »Jeds Mum.«
»Oh!«, macht Priti mit Augen so groß wie Untertassen. »Verstehe.«
Einen Augenblick lang sagt keiner von uns etwas.
»Sie sieht dir nicht sehr ähnlich«, stößt Priti dann hervor. »Dein Dad hat deine Mum wohl nicht nur aus deinem Leben, sondern auch aus deinen Genen ausgeschlossen.«
Jed antwortet nicht.
Ich werfe einen Blick durch die Vorhänge. Tante Karen hat aufgehört zu rufen. Sie sitzt an der Mauer und weint. Ich frage mich, ob sie weiß, dass sämtliche Nachbarn sie beobachten, und was sie dabei empfindet.
»Mir kommt sie ganz in Ordnung vor«, sagt Priti. Sie steht hinter mir und guckt raus. »Hübsche Schuhe.«
»Was verstehst du denn davon?« Jed hat sich aufs Bett gesetzt und den Blick demonstrativ vom Fenster abgekehrt.
»Sie sieht auch sehr fertig aus. Ich glaube nicht, dass ich es so schwernehmen würde, wenn ich dich nie wieder sehen dürfte.«
»Das wäre schön«, sagt Jed.
»Wenn du rausgehen und mit ihr reden willst, komme ich mit«, biete ich ihm an.
»Nein, danke«, sagt Jed.
»Wir würden es niemandem erzählen«, versichert ihm Priti. »Ich könnte nach unten laufen und ihr sagen, dass sie uns im Park treffen kann, und dann würde ich Wache halten, falls eure Großeltern wiederkommen. Genau wie wir es für Zara und Tyreese machen.«
»Ich sagte: Nein, danke.«
»Aber willst du sie wirklich überhaupt nicht sehen? Nur ganz kurz?«, fragt sie.
»Nein.«
Priti macht nicht den Eindruck, als wollte sie das Thema fallen lassen, obwohl Jed wirklich wütend aussieht. Doch da sehe ich, dass Opas und Omas Wagen in die Sackgasse einbiegt.
»Pst!«, mache ich. »Opa und Oma kommen.«
Priti richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen draußen, und selbst Jed kommt, um zu sehen, wie es weitergeht.
Das kleine Auto biegt in die Einfahrt, und ich bin mir nicht sicher, ob sie Tante Karen überhaupt bemerkt haben, denn sie steigen sofort aus, und da steht sie direkt vor ihnen.
Das Komische ist, dass Oma und Tante Karen einander ziemlich ähnlich sehen. Oma ist natürlich älter, und ihr Haar ist weißgrau, während Tante Karen goldbraunes Haar hat, aber sie sind beide klein und zierlich und haben nette Gesichter.
Jed zieht den Vorhang auf und öffnet das Fenster einen Spalt weit, damit er hören kann, wie es weitergeht.
Oma versucht
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