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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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»Das kannst du nicht wissen. Das Ganze war vielleicht nur ein Trick der Entführer, weiter nichts.«
    Hans-Olofs Kopf ruckte herum. »Denkst du?«
    »Es macht keinen Sinn, Kristina jetzt freizulassen. Und dass sie ausgerechnet jetzt fliehen kann, nach zwei Monaten in der Gewalt der Entführer, will mir auch nicht in den Kopf.«
    Hans-Olof hob das Stirnband. »Und das?«
    »Ich verstehe es auch nicht«, gab ich zu. Ich spähte hinaus, musterte die anderen Passanten, die mit eingezogenen Köpfen vom Bahnhof wegstrebten. »Offen gestanden bin ich völlig verblüfft.«
    Er musterte mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte. »Ich bin die Straßen dort abgelaufen«, sagte er, »habe Leute gefragt, an Türen geklingelt …« Er zögerte. »Ich habe etwas gefunden, das du dir ansehen solltest.«
    »Was denn?«
    Er ließ den Motor an. »Es ist nicht weit.«
    Mehr war ihm nicht zu entlocken. Ich müsse es mit eigenen Augen sehen. Also hörte ich auf, weiter nachzufragen. Er fuhr auf eine angespannte Art, die mich nervös machte, bog aber in eine Richtung ab, die wegführte von »meinem« Södertälje, was mich wiederum auf eine unvernünftige Art beruhigte. Es ging nach Västergård, wo hohe Hecken die Straßen säumten und praktisch keine Menschenseele unterwegs war.
    »Man darf uns auf keinen Fall zusammen sehen«, erinnerte ich ihn.
    »Schon klar«, sagte er.
    Wir kamen an einen kleinen Park, eigentlich eher ein freies Stück Wiese. Es gab eine verlassene Bushaltestelle, die nur aus einem Schild bestand, und eine Telefonzelle.
    »Hier war es«, erklärte Hans-Olof grimmig. »Ecke Högloftsvägen.«
    Er fuhr daran vorbei und noch ein kurzes Stück den Hügel hinauf bis zu einer schmalen Straße namens Äppelgränd. Dort hielt er am Straßenrand, schaltete Motor und Scheinwerfer aus und deutete auf ein dreiteiliges Reihenhaus auf der Straßenseite gegenüber. Es lag zum Hang hin und bot zweifellos einen schönen Blick auf den Måsnaren-See südlich von Södertälje. Und es war von einer wenigstens zwei Meter hohen Backsteinmauer umgeben. Für schwedische Verhältnisse also eine Festung.
    »Da. Siehst du den Eingang?«
    »Ja.«
    »Geh mal hin, und lies die Klingelschilder«, meinte Hans-Olof. »Aber sei vorsichtig.«
    Ich war vorsichtig. Ich stieg aus, ging ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung, überquerte die Straße an einer Stelle, an der sie vom Licht der weit auseinander stehenden Straßenlaternen verschont blieb, und schlenderte auf der anderen Seite abwärts, so gemächlich, wie ich es fertig brachte, bis ich an dem Haus mit der Mauer anlangte. Vor dem Eingang bückte ich mich und tat, als gäbe es etwas an meiner Hose zu richten. Die Klingelschilder waren von hinten beleuchtet und deutlich beschriftet. Drei Stück. Drei ausländische Namen.
    Einer davon lautete Reto Hungerbühl.

KAPITEL 30
    Hans-Olof schien das Lenkrad mit bloßen Händen zerbrechen zu wollen. Seine Fingerknöchel schimmerten wächsern, und ich bezweifle, dass das allein am Licht der Straßenbeleuchtung lag.
    »Was denkst du, was das bedeutet?«, hatte er gefragt, mit angehaltenem Atem, wie es mir vorkam, und die Frage schien im dunklen Inneren seines Wagens zu schweben und nicht verschwinden zu wollen. Und ich hatte den Eindruck, als atme Hans-Olof noch immer nicht.
    »Keine Ahnung«, sagte ich schließlich.
    »Sie ist da drin, nicht wahr?«
    Ich knurrte unwillig. »Unsinn. Reto Hungerbühl ist Chef der Niederlassung eines internationalen Konzerns. Selbst wenn er etwas mit der Sache zu tun hat, ist er höchstens einer der Drahtzieher. Aber er versteckt doch nicht ein entführtes Mädchen bei sich zu Hause! «
    »Und wieso nicht?«, schnappte Hans-Olof zurück. »Ist das nicht immer deine Rede gewesen? ›Wenn jeder so denkt‹? Wenn jeder so denkt wie du, dann ist es das beste Versteck, das es gibt.«
    Ich musterte ihn verdutzt. Das Letzte, was ich in diesen Tagen erwartet hätte, war, dass Hans-Olof meine eigenen Argumente gegen mich verwenden würde. Er hatte Recht, ja. Eigentlich war ich auch nur deshalb so zögerlich, weil ich mich beschissen fühlte. Ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen, war so müde, dass es wehtat, und mein Schädel pochte, als wäre ein Bataillon Zwerge mit Presslufthämmern darin zugange.
    »Du hast Recht«, stimmte ich zu und nickte, eine Kopfbewegung, die ich im gleichen Moment bereute. »Zumindest nachsehen müsste man.«
    Hans-Olof blickte starr geradeaus, und an seinem Hals bewegte sich

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