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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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lange gewartet; sie wird auch noch ein paar weitere Stunden verkraften.«
    Er nickte gefasst. »Wie du meinst. Was hast du vor?«
    Eines vor allem hatte ich ganz bestimmt nicht vor, nämlich Hans-Olof in Details einzuweihen. Dass er sich ein Schießeisen besorgt hatte, auf eigene Faust und ohne mir etwas davon zu sagen, hieß für mich, dass ihm buchstäblich jede Dummheit zuzutrauen war. Da musste ich ihm nicht auch noch Anregungen oder gar Unterricht erteilen.
    »Was soll ich schon vorhaben? Ich komme heute Nacht wieder, gehe rein und sehe mich um«, sagte ich.
    »Ich will dabei sein.«
    »Völlig überflüssig.«
    »Bitte! Ich könnte Schmiere stehen oder wie man das nennt. Ich kann sowieso nicht schlafen, wenn ich weiß, dass du so etwas unternimmst.«
    »Dann solltest du mich vielleicht nicht immer so ausfragen«, schlug ich vor und überlegte. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, Hans-Olof draußen stehen zu haben, für alle Fälle. Zum Beispiel für den Fall, dass ich Kristina fand, befreite und irgendjemanden in Schach halten musste: Dann konnte sie schon hinausrennen und sich in Sicherheit bringen, während ich noch mit der Waffe herumfuchtelte und den wilden Mann markierte.
    »Also gut«, sagte ich. »Du stellst dich genau hier wieder hin. Um, sagen wir, exakt vier Uhr morgens. Ich gehe kurz vorher rein. Falls du irgendwann Kristina herauskommen siehst, rast du los, schnappst sie dir und fährst mit ihr davon, so schnell es geht, okay? Kümmere dich nicht um mich, schnapp dir nur Kristina, und fahr mit ihr irgendwohin. Hauptsache, nicht nach Hause. Klar?«
    Er blinzelte und nickte. »Ja. Klar.«
    »Ich meine das ernst. Wenn ich mitkriege, dass du auch nur eine Sekunde auf mich wartest, dreh ich dir den Hals um.«
    Hans-Olof schluckte. »Okay. Das habe ich verstanden.«
    »Lass uns die Uhren vergleichen.« Ich schob den Jackenärmel zurück. »Ich habe es eine Minute vor halb sieben.«
    »Ich eine Minute später«, sagte Hans-Olof und korrigierte seine Uhr entsprechend. »Wann soll ich dich abholen?«
    »Überhaupt nicht. Ich komme allein.«
    »Und wie?«
    »Ich miete mir nachher ein Auto. Mach dir keine Gedanken; bis jetzt bin ich immer dorthin gekommen, wo ich hinwollte.« Ich wackelte mit dem Handgelenk. »Du solltest dich auch beeilen, um pünktlich zu sein.«
    Er nickte. »Verlass dich drauf. Punkt vier steh ich hier.«
    »Nein, ich meine jetzt. Es wird Zeit, nach Hause zu fahren. Vielleicht rufen sie wieder an. Gerade heute.«
    Er musterte mich mit großen Augen und brauchte eine bedenkliche Weile, bis der Groschen fiel. »Ach so. Ja. Die Entführer könnten anrufen. Das meinst du.«
    Ich befühlte die Waffe in meiner Jacke. »Setz mich einfach an irgendeiner Bahnstation ab.«
     
    Er setzte mich in Rönninge ab. Auf der Fahrt nach Stockholm telefonierte ich ein paar Nummern aus meinem Notizbuch ab. In meinen guten Zeiten hatte ich etliche Autovermietungen gekannt, die keine überflüssigen Fragen stellten, und wie sich herausstellte, war eine davon noch im Geschäft. Ich ging hin und mietete das unauffälligste Auto, das sie dahatten, einen dunkelroten japanischen Kleinwagen mit Kastenaufbau, ein Fahrzeug, wie es Handwerker gerne benutzen. Ich fuhr damit nach Södermalm zurück, suchte einen Parkplatz in der Nähe der Pension und fand einen vor einem türkischen Imbiss. Ein Wink des Himmels. Ich ging ohne zu zögern hinein, orderte den größten Dönerteller mit Pommes frites und Krautsalat und allem, was die Theke sonst noch hergab, dazu ein sündhaft teures Bier, und vertilgte alles restlos und mit nicht zu beschreibendem Wohlgefühl. Als ich den Teller von mir schob und den Bodensatz aus dem Bierglas schlürfte, merkte ich, dass ich wohlig schwer wurde und die Kopfschmerzen nachließen. Ich bezahlte und ging nach Hause.
    Es war ein wenig lästig, dass sich der dritte Mieter ausgerechnet diesen Abend ausgesucht hatte, um wieder einmal Gebrauch von seinem Zimmer zu machen. Zu sehen bekam ich ihn nicht, aber er und die Frau, die er dabeihatte, waren sowohl unüberhörbar als auch beneidenswert ausdauernd bei der Sache.
    Ich stellte den Wecker auf viertel vor drei Uhr und legte mich ins Bett. Die Frau kam mit spitzen Schreien, die wahrscheinlich das halbe Stadtviertel aus dem Schlaf rissen. Anschließend hörte man ihn etliche Male schnauben wie einen angestochenen Stier, dann war endlich Stille.
    Im nächsten Augenblick war ich weg wie ausgeschaltet.
    Und zum ersten Mal im Leben –

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