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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Außenaufnahmen für den neuen James-Bond-Film, draußen vor der Stadt –«
    Der Mann riss die Augen auf. »Der neue Bond? Echt?«
    »Bitte«, mahnte ich und zeigte Nervosität. Was mir nicht schwer fiel, denn seine Reaktion ließ ahnen, dass ich mit meiner Story ausgerechnet auf einen Fan gestoßen war, der über James-Bond-Filme vermutlich hundertmal mehr wusste als ich. »Wenn etwas durchsickert, bin ich meinen Job los.«
    »Sagen Sie, wer spielt den Bond?«
    »Was denken Sie denn?«
    »Pierce Brosnan doch, oder?«
    Der Name sagte mir nichts, aber ich hob die Augenbrauen.
    »Das haben Sie gesagt, nicht ich.«
    »Und er ist in Stockholm? Jetzt, in diesem Augenblick?«
    »Muss er ja wohl«, nickte ich und nutzte den Moment der Verblüffung, um einzuhaken: »Wir haben bloß gerade ein Problem, und ich hoffe, Sie können uns helfen. Um ehrlich zu sein: Wenn nicht, ist der komplette Dreh in Gefahr.«
    »Ich?« Er rang um Fassung. »Ich soll James Bond helfen?«
    Offenbar lebte er ein Stück weit in einer anderen Welt, was mir nur recht sein konnte. Ich nickte. »Sehen Sie, unser Problem ist, dass bei den Requisiten, die mit dem Schiff aus den Staaten angeliefert worden sind, ein Fahrzeug fehlt. Wie es aussieht, hat man vergessen, es einzuladen.« Ich deutete durch das Fenster auf meinen dunkelroten Kastenwagen. »Wir haben auf die Schnelle ein ähnliches Auto gekauft, bloß bräuchten wir noch eine bestimmte Beschriftung darauf – und es muss bis heute zwölf Uhr einsatzbereit sein.«
    Mein Gesprächspartner nahm Haltung an. »Wird Mister Bond dieses Auto fahren?«
    »So ist es.«
    »Sagen Sie mir, was Sie brauchen.«
    Ich sagte ihm, was ich brauchte. Gleich darauf stürmte er hinaus, als stünde das Schicksal der freien Welt auf Messers Schneide, und trommelte seine Leute zusammen. »Lasst alles stehen und liegen! Das hier hat absoluten Vorrang.«
    Es dauerte keine halbe Stunde. »Können Sie die Rechnung an die Adresse auf meiner Karte schicken?«, fragte ich, höchst zufrieden mit dem Anblick, den der Toyota bot.
    Der Mann winkte ab. »Ach was, dafür will ich doch kein Geld.« Ein Glitzern trat in seine Augen. »Aber wenn Sie ein Autogramm von Pierce Brosnan für mich organisieren könnten, das wäre großartig.«
    »Na klar«, sagte ich. Ich zückte meinen Kugelschreiber. »Geben Sie mir Ihre Karte. Ich werde dafür sorgen, dass Sie nicht nur ein Autogramm kriegen, sondern auch eine Einladung zur Premierenvorstellung, sobald der Film in Schweden anläuft.«
    »Echt? Au, Mann! Wird Pierce Brosnan etwa auch da sein?«
    »Ich wette, er wird Ihnen die Hand schütteln wollen«, erklärte ich, was ihn vollends aus der Fassung brachte. Er verabschiedete mich buchstäblich mit Tränen in den Augen, und als ich davonfuhr, ohne die leiseste Absicht, auch nur eines meiner Versprechen zu halten, winkte er mir nach, bis ich außer Sicht war.
    Ich staune immer wieder über die Magie von Visitenkarten.

KAPITEL 32
    Es war zwölf Uhr dreißig, als ich Sundbyberg erreichte. Die müde schwedische Wintersonne war schon wieder im Sinken begriffen, als ich vor dem Anwesen der Familie Andersson parkte, einem freistehenden, hellbraun gestrichenen Haus mit zwei Schornsteinen. Eine Giebelfront zeigt zur Straße, mit zwei Fenstern im Obergeschoss und einer breiten, dunklen Haustür unten, womit das Ganze ein wenig wie ein erstauntes Gesicht aussieht. Auf dem Dach lag Schnee, und eine alte, windschiefe Kiefer ragte dahinter auf.
    Hans-Olofs heimliche Überwacher sahen zweifellos von irgendwoher zu, aber sie hatten keinen Grund, mich für etwas anderes zu halten als für das, was die neue Beschriftung auf meinem Wagen nahe legte, nämlich für einen Heizungstechniker, der zu einem Notfall kam.
    Ich war kaum ausgestiegen, da öffnete Hans-Olof mit einem Blick die Tür, als sähe er mich zum ersten Mal im Leben. Ich hatte ihn unterwegs angerufen und instruiert, und anders als befürchtet spielte er seine Rolle erstaunlich gut.
    »Na endlich!«, rief er. Es klang wahrhaftig ungehalten. »Man hat mir gesagt, Sie kämen um elf Uhr. Jetzt ist schon zwölf vorbei.«
    Na schön, das konnte ich auch. »Beim letzten Kunden hat es länger gedauert«, sagte ich. »Das hat man manchmal nicht im Griff.«
    Wir gingen hinein. Das Haus wirkte düsterer, als ich es in Erinnerung hatte. Als ich zuletzt hier gewesen war, hatte Inga noch gelebt. Jetzt hingen die Wände voll mit gerahmten Fotos von ihr, vergrößerte Urlaubsbilder, auf denen sie lachte oder

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